SAM
händigt sie ihm eine kleine Tüte aus. Er bezahlt und wir machen uns auf den Weg zurück zum Hotel. Alex besteht darauf mich zurück zu bringen und erst dann seinen Termin wahrzunehmen, den er gestern versäumt hat.
„Mit wem triffst du dich?“, frage ich ihn, als wir durch die Gassen zurück laufen.
„Mit einem alten Priester“, ist seine knappe Antwort.
„Was glaubst du von ihm zu erfahren?“ Meine Neugier ist mal wieder nicht zu bremsen.
„Ich weiß es nicht genau. Ich hoffe, er kann mir mehr über den Verbleib der alten Schriften erzählen.“
„Kann ich mitkommen?“ Er bleibt stehen und sieht mich an. In seinen Augen sehe ich zunächst Zweifel und Unmut.
„Ich glaube nicht“, sagt er zögernd.
„Warum nicht? Vielleicht kann ich ja nützlich sein. Ich verspreche dir, ich werde keinen Mucks sagen und mich im Hintergrund halten. Ich werde nur aufmerksam zuhören.“ Er schüttelt den Kopf, scheint aber nicht mehr stur dagegen zu sein.
„Bitte! Immerhin geht es mich doch auch etwas an, wenn ich tatsächlich eine Auserwählte bin.“ Der Punkt geht eindeutig an mich. Wir setzen unseren Weg fort.
„Meinetwegen. Aber du sprichst nicht mit ihm und hältst möglichst deine Gedanken und Gefühle verschlossen!“
„Wieso? Ist er etwa ein Vampir?“
„Nein, aber er weiß viel über unsere Art. Manche meinen zuviel“, antwortet er grimmig. Er nimmt meine Hand und wir schlagen eine andere Richtung ein, als den Weg zurück zum Hotel. Nach zehn Minuten befinden wir uns in einer sehr dunklen Gasse, an deren Ende ein sehr altes verfallenes Haus steht. Die dunkle Holztür, die etwas schief in den Angeln hängt, macht den Eindruck, als hätte sie bereits Generationen von Holzwürmern als leibliches Wohl gedient. Alexander hält fest meine Hand, als er mit der anderen gegen die Tür klopft. Wir warten einen Augenblick, aber nichts geschieht. Dann klopft Alex noch einmal, kräftiger. Hinter der Tür höre ich schlürfende Geräusche und wütendes Schimpfen, ehe sich die Tür einen Spalt öffnet. Alexander hat sich vor mich gestellt, so dass ich nicht genau sehen kann, wer sich hinter der Tür befindet. Nach der Stimme zu urteilen, ist es eine alte Frau. Alex und sie tauschen ein paar Worte aus, ehe sie uns eintreten lässt. Als ich an ihr vorbeigehe, sehe ich eine sehr kleine, dünne, zierliche Person mit grauen Haaren, die am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden sind und in deren altem, vom Wetter und vom Alter gezeichneten, faltigen Gesicht hellwache, dunkle Augen blitzen. Ich nicke ihr freundlich zu, sie aber presst ihre ohnehin schon schmalen Lippen zu einer dünnen Linie zusammen und blickt mich feindselig an. Wir stehen in einem dunklen Raum und warten darauf, dass die Alte uns zu unserem Gastgeber führt. Es riecht nach vermoderndem Holz, faulig und harzig. Nachdem sie die Tür hinter uns wieder verschlossen hat, geht sie an uns vorbei und führt uns einen schmalen Gang entlang bis zum Ende. Dort befindet sich erneut eine Tür, die sie einen Spalt öffnet und der Person, die sich darin befindet unsere Ankunft mitteilt. Jedenfalls denke ich das, denn ich verstehe ja kein Wort italienisch. Schließlich öffnet sie die Tür weiter und lässt uns eintreten. Wir stehen in einem spärlich eingerichteten, schummerigen Raum. Ein großer Sessel steht vor dem Kamin und rechts daneben ein Sofa, dessen Polster bereits deutliche Altersspuren aufweisen. Links davon befindet sich ein über und über mit Papieren vollgekramter Schreibtisch und ein Stuhl mit hoher Lehne. Rechts von der Stelle an der wir stehen, befinden sich drei hohe Bücheregale, in denen sich die Bücher unordentlich über- und nebeneinander stapeln. Ich zucke erschreckt zusammen, als eine krächzende Stimme hinter der Sessellehne etwas sagt und ein dünnes Ärmchen uns anweist, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Alexander ist angespannt, ich spüre es deutlich, als wir uns setzen und er immer noch meine Hand festhält. Jetzt kann ich auch das erste Mal einen Blick auf die Gestalt mit der krächzenden Stimme werfen. Im Sessel schräg neben mir sitzt zusammengesunken ein alter Mann mit strähnigem, weißen, schulterlangem Haar. Er blickt uns nicht an, sondern scheint in die Flammen des Kamins zu starren. Von der Seite betrachtet sieht seine Nase aus, wie der Schnabel eines Greifvogels. Lang, gekrümmt und schmal. Er bewegt kaum die dünnen Lippen, als er anfängt zu sprechen.
„Endlich, DeMauriere, treffen wir uns persönlich wieder“,
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