SAM
schwer, zu akzeptieren, dass jedesmal ein Mensch starb, nach dem ich meinen Durst an ihm gestillt hatte. Immer wieder verfluchte ich meine sterbliche Mutter, von der ich offensichtlich diese menschlichen Gefühle und Skrupel geerbt hatte.
Ich blieb sieben Jahre in den Highlands und lebte mehr schlecht als recht. Immer auf der Suche nach frischem Blut und immer auf der Hut vor der Rache meiner Familie.
Eines Nachts, als ich im Wald mein Lager aufgeschlagen hatte, tauchte plötzlich dieses wunderschöne Mädchen auf. Sie war höchstens fünfzehn Jahre alt, hatte blonde Locken, die ihr mädchenhaftes Gesicht umrahmten und war in grüne Gewänder gekleidet. Ich fragte sie, was sie hier allein im Wald tat. Sie setzte sich ohne Zögern zu mir und wir unterhielten uns.
Sie hieß Lylha. Ich hatte in alten Mythen und Legenden von ihr gehört, aber nicht wirklich daran geglaubt, dass sie tatsächlich existiert. Nun, da sie leibhaftig vor mir saß, wurde mir bewusst, dass sie eine von uns war. Sie war ebenfalls ein Vampir. Während ich mich immer noch mit meinen menschlichen Gefühlen auseinandersetzen musste, war sie ganz anders. Sie kannte keine Reue, Bedauern und Mitgefühl. Sie war ein eiskalter Killer und ich bewunderte sie dafür. Es widerte sie an, wenn ich meinen menschlichen Gefühlen und Empfindungen freien Lauf ließ, also beim Töten Skrupel zeigte oder immer wieder nach dem Sinn und Zweck unserer Existenz fragte. Für mich bedeutete ein Menschenleben noch immer etwas, für sie waren Sterbliche nur Futter. Und sie genoss es zu töten, den allerletzten Schlag des Herzens zu hören, das letzte Ausatmen des Sterbenden wahrzunehmen.
Eines Nachts fiel sie dann über mich her. Sie war so viel stärker als ich und ich hatte keine Chance mich gegen sie zu erwehren. Sie tötete mich, obwohl ich einer der ihren war. Sie saugte mich bis auf den letzten Blutstropfen aus. Ich war zu diesem Zeitpunkt dreiunddreißig Jahre alt. Aber anstatt mich dort in den Wäldern verrotten zu lassen, gab sie mir von ihrem Blut zu trinken und erschuf mich sozusagen ein zweites Mal. Sie tat es, erzählte sie mir später einmal, weil sie die Einsamkeit satt hatte und einen Gefährten suchte. Einen gleichwertigen Gefährten. Was sie jedoch nicht wusste war, dass sie ein Monstrum erschaffen hatte. Eine Kreatur mit allen Fähigkeiten, die unsere Rasse jemals hervorgebracht hat. Meine von Geburt geerbten Fähigkeiten und die Eigenschaften, die durch das Trinken ihres Blutes hinzukamen, erschufen dieses Monster. Eine Kreatur ohne Gewissen, Skrupel oder Mitgefühl. Töten wurde meine Leidenschaft und es verschaffte mir eine Befriedigung, die ich nie zuvor verspürt hatte.
Ich blieb über 60 Jahre bei ihr, bis sich endgültig unsere Wege trennten. Ich wusste nun alles über meine Existenz, war stark und inzwischen ein ebenso rücksichtsloser, blutrünstiger und eiskalter Vampir geworden, wie sie. Ich war ihr anfangs dankbar dafür, dass sie mir nicht nur den letzten Blutstropfen genommen hatte, sondern damit auch den letzten Funken menschlicher Gefühle. Ich war nun bereit mich meinem Vater zu stellen, um den Tod Isabellas zu rächen.
Es war das Jahr 1417, als ich zu meiner Familie zurückkehrte. Ich werde nie den hasserfüllten Blick Megans vergessen, als sie mich sah. Sie schrie schrill und hysterisch und kam wie eine Furie auf mich zugestürmt, als wolle sie mir die Augen auskratzen. Mit einer einzigen Handbewegung schleuderte ich sie gegen eine Wand und der Ausdruck der Wut und des Hasses in ihren Augen wich nun dem des blanken Entsetzens. Du kannst dir sicher vorstellen, dass mein Vater ähnlich hasserfüllt auf mich zustürmte, aber auch er konnte sich bald von meiner neuen Stärke überzeugen. Ich fragte nach Ethan und als er mich sah und ihm klar wurde, dass er diesmal keine Chance hatte, fing er an, wie ein verängstigtes Tier zu wimmern. Ich griff ihn am Hals und hielt ihn einige Zentimeter über den Boden und verlangte von ihm, seinen Eltern zu erzählen, was tatsächlich damals auf der Lichtung geschah. Er stellte es als tragischen Unfall dar, Isabella hätte sich törichterweise von mich gestellt, um mich zu schützen. Megan und Alastair glaubten diese Lüge. Für sie war immer noch ich derjenige, der Isabella auf dem Gewissen hatte. Es kam zu einem tödlichen Kampf, in dem ich zuerst Megan und dann meinen Vater tötete. Ethan gelang die Flucht. Es war das erste mal in meinem verfluchten Dasein als Vampir, dass ich andere Vampire
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