SAM
gelegt. Ich kann kaum meine eigene Hand vor Augen erkennen. Ich liege immer noch in seinem Arm. Er ist angespannt, ich fühle es. Als erwarte er einen Kommentar von mir oder irgendeine Reaktion. Eine Träne rinnt aus meinem Augenwinkel auf seine Brust.
„Sam, was ist los?“, fragt er besorgt und richtet sich auf. Er schaltet eine der Nachttischlampen an und schaut mich mit seinen warmen, braunen Augen fragend an.
„Ich wollte das nicht, ich wollte dich nicht traurig machen, du wolltest wissen,…und ich habe dir alles erzählt,…ich konnte ja nicht ahnen,…“, stammelt er entschuldigend. Ich richte mich ebenfalls auf und lege den Zeigefinger meiner rechten Hand auf seine Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
„Ich bin okay, halbwegs jedenfalls. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll. Ich finde im Moment keine Worte für das, was du erzählt hast. In meinem Kopf wirbeln deine Worte und die Vorstellungen von dem, was du erlebt hast, wild durcheinander. Bitte gib mir etwas Zeit, das alles erst einmal zu verarbeiten“, erkläre ich ihm scheinbar ruhig. Er schaut in meine Augen, scheint herausfinden zu wollen, was noch in meinem Kopf hervorgeht. Ich bin zutiefst erleichtert, dass er nicht in der Lage ist, meine Gedanken zu lesen. Und ich versuche mit aller Kraft meine Emotionen unter Verschluss zu halten, weil sich in meinen Gedanken alles um die Begriffe Monster, teuflische Kreatur, Blutgier, gewissenlos und Mörder dreht. Die Erkenntnis, dass ich mich blind vor Liebe in ultimativ tödliche Gefahr bringe, wenn ich mit ihm zusammen bin, trifft mich wie ein Schlag. Natürlich wusste ich bereits vorher, auf was ich mich einlasse, dass er gefährlich ist. Aber nach dem, was ich heute über ihn erfahren habe, erscheint vieles in einem noch schrecklicheren, noch furchtbareren Licht. Am liebsten würde ich weglaufen, weg von ihm, weg von all dem, was ich jetzt weiß, aber bereits zutiefst bereue es zu wissen, weg von der Gewalt, dem Leid und dem Tod. Es kostet mich alle mentale Anstrengung, die ich aufbringen kann, mich wieder neben ihn zu legen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Nichts ist in Ordnung! Gar nichts! Ich bin innerlich so aufgewühlt, dass es mir unendlich schwer fällt ruhig zu atmen, nur um mir nichts anmerken zu lassen. Alexander sitzt immer noch neben mir, während ich mich auf die Seite lege, die Augen schließe und vorgebe, als würde ich einschlafen.
„Du kannst es nicht vor mir verbergen“, sagt er plötzlich leise in die Stille hinein und seine Stimme hat einen derart gequälten Unterton, dass mir mein Herz bricht. Er steht auf, nimmt seine Sachen und geht zur Tür. Dort verweilt er kurz, ehe er sich noch einmal zu mir umdreht und mich ansieht. Ich habe mich wieder aufgerichtet und schaue in sein Gesicht. Leise und mit unendlicher Traurigkeit in seiner Stimme und in seinen Augen sagt er: „Ich habe gehofft und zuletzt sogar daran geglaubt, dass es funktionieren würde zwischen uns. Aber ich spüre deine Angst vor mir. Ich war ein elender Narr zu denken, das du mich lieben könntest. Wer verliebt sich schon in ein Monster…?“ Dann senkt er den Blick und schließt die Tür hinter sich. Ich verlasse noch in dieser Nacht das Schloss.
Am nächsten Tag rufe ich bei Winston an und erklärte ihm, dass es mir nicht gut geht und ich zu Hause bleibe. Alexander meldet sich nicht bei mir und ich rufe auch nicht bei ihm an. Drei lange Tage und Nächte verbringe ich damit, mir über die Konsequenzen meines Handelns klar zu werden. Immer wieder kämpft mein gesunder Menschenverstand gegen meine Gefühle. Manchmal glaube ich, verrückt zu werden. Mein Verstand sagt mir, ihn zu verlassen, mich außer Gefahr zu bringen und zu vergessen, was ich weiß. Mein Herz sagt mir, bei ihm zu bleiben, uns eine Chance zu geben. Ihn so zu lieben, wie er jetzt ist und seine Vergangenheit hinter uns zu lassen. Ich spürte eine innerer Zerrissenheit, die ich bis dahin noch nie kennengelernt hatte. Das Schlimmste jedoch ist, dass ich ihn tatsächlich vermisse. Und immer wieder breche ich weinend zusammen und flehe nach einer Antwort auf die Frage, was richtig und was falsch ist, einen Hinweis, was ich tun soll. Ein Zeichen, welcher Weg der richtige ist.
Winston ruft mich an und bittet mich ins Schloss zu kommen. Seit Tagen hat sich niemand mehr um die Abläufe der Restaurierungsarbeiten gekümmert und er hat den Eindruck, alles würde drunter und drüber gehen. Auch für
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