Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
gemacht, und dieses Bild würde ihren Artikel abrunden.
Laurels Finger hielten in der Bewegung inne. Ihr Bericht. Wie sollte sie über eine abenteuerliche Safari schreiben, ohne auch gleichzeitig die Tötung des Nashorns zu erwähnen? Aber das war nicht möglich. Sie war sich ziemlich sicher, dass der Chefredakteur in seiner Zeitschrift nur eines duldete: die Safari als rundum gelungenes Reiseerlebnis. Eines der besonderen Art – exotisch, ausgefallen und mit dem Kitzel des Abenteuers. Was er sicherlich nicht wollte, war eine Anklage gegen die Großwildjagd. Dafür war in
Men’s Fitness World
kein Platz. Was konnte sie aber dann überhaupt berichten, wenn sie das Wichtigste weglassen musste? Sie ahnte, dass ihr der Artikel noch einiges an Kopfzerbrechen bereiten würde.
Seufzend öffnete sie den Reißverschluss und zog den Fotoapparat heraus. Ein Blick in Reys Gesicht zeigte ihr, dass er immer noch schlief. Er sah so jung und unschuldig aus, wenn man von den Kratzern absah, die sein Gesicht verunstalteten. Seine dunklen Wimpern zeichneten Halbkreise auf seine hohen Wangenknochen, der breite Mund war entspannt. Sie schaltete die Kamera an und richtete sie auf Rey anstatt auf die Landschaft. Ein kleines Andenken, da sie sich bald trennen würden. Vorausgesetzt, sie fanden den Weg zurück in die Zivilisation. Doch Laurel hatte jetzt keine Angst mehr, ihre Zuversicht war zurückgekehrt. Sie wunderte sich über sich selbst, wie sehr sie Rey vertraute, dass er sie heil wieder hier herausbringen würde. Kopfschüttelnd knipste sie ein zweites Foto von Rey. Dann schwenkte sie den Fotoapparat über das Landschaftspanorama, das sich unter ihrem Versteck ausbreitete wie eine große Bühne. Sie war so in das Fotografieren vertieft, dass sie gar nicht bemerkte, wie Rey die Augen öffnete und sie beobachtete.
»Was tust du da?«
Seine heisere Stimme bewirkte ein Kribbeln in ihrem Bauch. Laurel deutete in Richtung Tal. »Ich dokumentiere einen fantastischen Sonnenaufgang.« Sie sah ihn lächelnd an. »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.«
Rey legte eine Hand um ihre Wange. Seine Finger strichen über ihre weiche Haut. »Das macht nichts, wir müssen jetzt sowieso aufbrechen, wenn wir nicht in der Mittagshitze herumlaufen wollen.«
»Was glaubst du, wie lange wir noch brauchen werden?«
Langsam richtete Rey sich auf und betrachtete die Landschaft vor ihm. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Eigentlich können wir nicht so weit vom Lager entfernt gewesen sein, es wäre also durchaus möglich, dass wir noch vor Mittag ankommen. Möchtest du noch etwas essen, bevor wir uns auf den Weg machen?«
Laurel blickte von ihrem Rucksack auf. Natürlich hatte sie Hunger, aber ihre Vorräte waren so geschrumpft, dass sie den kläglichen Rest lieber aufheben wollte, falls sie doch noch länger unterwegs waren. »Nein, danke.« Wie um ihren Worten zu widersprechen, knurrte ihr Magen vernehmlich.
In gespieltem Entsetzen schaute Rey um sich. »Mein Gott, war das ein Löwe?«
Lachend presste Laurel eine Hand auf den Magen. »Idiot.«
»Bist du sicher, dass du nichts willst? Wir haben noch einen langen Marsch vor uns.«
»Nein, ich passe. Aber wenn du etwas essen willst …«
Rey zog nur die Augenbrauen hoch und fuhr fort, seinen Rucksack zusammenzupacken. Wenig später waren sie bereit, ihren Unterschlupf zu verlassen. Nach einem letzten Blick auf die inzwischen in helles Sonnenlicht getauchte Landschaft kletterten sie vorsichtig den schmalen Grat entlang, um den Felsblock herum, zurück auf festen Boden. In wenigen Minuten erklommen sie den Gipfel des Hügels und schauten in die Richtung, in der sie den Fluss und das Camp vermuteten. Hier oben in der prallen Sonne war die Hitze bereits kaum auszuhalten. Angespannt suchte Laurel den Horizont nach dem Fluss oder einer Ansammlung von Zelten ab.
Mutlos wollte sie sich schon wieder abwenden, als sie plötzlich aus dem Augenwinkel etwas aufblitzen sah. Die Augen zusammengekniffen, blickte sie angestrengt in die Richtung, wo sie etwas gesehen hatte. Nichts. Fast dachte sie schon, sie hätte es sich eingebildet, als erneut etwas aufblitzte. War das etwa Wasser?
Aufgeregt griff sie nach Reys Arm. »Dahinten, siehst du es?«
Reys Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm, bis auch er den winzigen Fleck sehen konnte, der Laurels Aufmerksamkeit erregt hatte. »Könnte ein Fluss sein. Warte, ich hole meine Kamera.«
Hastig zog er den Camcorder aus seinem Rucksack, schaltete ihn ein und
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