Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
»Genau das wollte ich sagen.«
»Dann ist es ja gut.«
Mit einem Mal wurde Laurel bewusst, dass es um sie herum verdächtig still geworden war. Die amüsierten Gesichter der anderen Anwesenden machten ihr klar, dass alle interessiert ihrem Gespräch gelauscht hatten. Vermutlich hatte inzwischen auch der Letzte bemerkt, dass ihr Verhältnis nicht nur geschäftlich war. Verlegen wandte Laurel sich wieder Rey zu, der sie jedoch nur fröhlich angrinste.
Schließlich erbarmte Sam sich ihrer. »Willst du Laurel die Nord- oder die Südseite des Canyons zeigen?«, fragte sie, an ihren Bruder gewandt.
»Ich dachte, wir starten an der Nordseite, steigen hinab zum Colorado und gehen dann ein Stück am Fluss entlang. Vielleicht erkunden wir auch einen der Seitencanyons.«
»So spät im Jahr die Nordseite?«
»Unten im Canyon ist es ja immer noch warm. Natürlich muss ich auf die Wettervorhersagen achten und notfalls umplanen. Ich werde auf keinen Fall ein Risiko eingehen.«
Sein Vater meldete sich zu Wort. »Rey ist das erste Mal in den Grand Canyon gestiegen, als er ein halbes Jahr alt war, er kennt ihn in- und auswendig.« Er lächelte Laurel beruhigend zu. »Sie können sich auf ihn verlassen.«
James Dyson war im Gegensatz zu seiner Frau relativ klein und gedrungen gebaut. Seine bedächtige Art wirkte im Vergleich zu Eileens sprühendem Temperament ausgleichend. Den ganzen Abend hatte er kaum etwas gesagt und die meiste Zeit seiner Frau das Kommando überlassen. Doch jetzt hatte er es offensichtlich für nötig befunden, Laurel von den Fähigkeiten seines Sohnes zu überzeugen. Seine Stimme war Reys sehr ähnlich. Warm und weich floss sie dem Zuhörer entgegen, zog ihn sofort in seinen Bann.
Laurel lächelte dankbar. »Das tue ich.«
»Allerdings ist er damals nicht selbst gegangen, sondern saß in einem Tragerucksack auf den Schultern seines Vaters.« Eileen warf ihrem Mann in der Erinnerung daran einen schmunzelnden Blick zu. »Sein erstes Wort war nicht etwa Mom oder Dad, sondern Cancan, seine Kurzform für Grand Canyon.«
Alle lachten.
Rey fühlte sich offensichtlich unwohl, dass man ihn plötzlich zum Gesprächsthema erkoren hatte. »Ich glaube nicht, dass meine Kindheitsgeschichten für Laurel so spannend sind.«
Laurels Augen glitzerten. »Oh doch, das sind sie.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Allerdings scheint es so, als hätte mich die Müdigkeit wieder eingeholt. Ich fürchte, ich muss ins Bett.«
Rey erhob sich. »Kein Problem, gehen wir nach oben.«
Laurel hielt abwehrend die Hände hoch. »Nein, nein. Bleib du ruhig noch hier unten, ich möchte nicht den ersten Abend mit deiner Familie stören.«
Rey erkannte wohl, dass Laurel im Moment lieber allein sein wollte, denn er ließ sich wieder in die weichen Sofakissen sinken. »Okay. Ich komme bald nach.«
»Lass dir ruhig Zeit.« Sie nickte in die Runde. »Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Gute Nacht.«
»Gute Nacht. Schlaf schön.«
Laurel fühlte die Blicke in ihrem Rücken, als sie langsam die Treppe hinaufstieg. Obwohl sie am liebsten gerannt wäre, zwang sie sich dazu, gleichmäßig einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis sie die Apartmenttür erreichte. Mit einem erleichterten Seufzen schloss sie sie hinter sich und lehnte sich an das glatte Holz. Mit geschlossenen Augen bemühte sie sich, ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden.
An diesem Abend hatte sie erkennen müssen, dass sie nicht nur die Zweisamkeit mit Rey genoss, sondern er ihr auch im Kreis seiner Familie gefiel. Sie entdeckte ständig neue Eigenschaften an ihm, die ihr sympathisch waren. Vorzüge, die ihn ihr immer näherbrachten. Wie sollte sie ihm nur widerstehen können?
Trotz ihrer Müdigkeit lag sie noch eine Zeit lang mit weit geöffneten Augen in der Dunkelheit wach. Ihre Gedanken und Gefühle waren ein einziges Wirrwarr und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Erst als sie beschloss, die bevorstehenden Tage mit Rey einfach nur zu genießen und zu versuchen, nicht weiter über mögliche Verwicklungen nachzugrübeln, schlief sie erschöpft ein.
Rey schlich die Treppe hinauf und öffnete leise die Tür. Alles war dunkel. Wahrscheinlich schlief Laurel schon tief und fest. Er selber konnte auch eine Mütze voll Schlaf vertragen, so viel war sicher. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das Dunkel. Sein Herz machte einen Sprung, als er erkannte, dass Laurel nicht auf dem Sofa schlief, wie er es schon fast befürchtet hatte. Das hieß wohl, dass sie nichts
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