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Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Samarkand Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Samarkand Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Politycki
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des Zauns wollte und den Turkestanrücken hinauf, erlebte er nicht zum ersten Mal. Nun aber einer, der sich ganz offensichtlich für den Westen herumtrieb, was konnte so einer im Gebirge wollen? Als er von Kaufner bestätigt bekommen, was er schon wußte: daß dieser ein Freund der Natur sei und wandern wolle, ausgerechnet hier, lachte er nach Art der Mutigen, groß und raumgreifend, sein Zwerchfell war ein starker Muskel, der nicht so schnell lockerließ. Dann wurde er schlagartig ernst, ab jetzt würde er keinen Spaß mehr verstehen:
    Er befehlige den
Bund vom Schwarzen Hammel
, keiner mächtiger auf dieser Seite des Flusses als er, auch kein Russe. Kaufner tue gut daran, ihm seine wahren Absichten zu enthüllen, vielleicht könne er ihm helfen. Ob er Heroin schmuggeln wolle? Oder ob er nach Samarkand wolle?
    Er habe noch eine Rechnung offen, erwiderte Kaufner, entschlossen das ehrliche Spiel spielend: Er hoffe, sie drüben zu begleichen.
    Kaufner war auf ein Gespräch mit Russen, Tadschiken, Usbeken, sogar Türken vorbereitet. Doch die Frage nach Samarkand brachte ihn nun bereits zum zweiten Mal in Verlegenheit. Nicht zu seinem Nachteil.
Diesen
Grund konnte Feisulla akzeptieren, er hatte selber eine Rechnung offen.
    »Aber du bist dir schon darüber im Klaren, daß du ins Gottesgebirge willst?«
    Er gab dem angeketten Kerl unterm Tisch einen Tritt, erhob sich erneut, ging auf Kaufner zu, stellte sich ein Stück zu nah vor ihm hin und setzte zu einer Erklärung an: Der Turkestanrücken sei der westlichste, der allerletzte Ausläufer des Tienshan, wörtlich übersetzt: des »Gottesgebirges« …
    Falls es noch einer Bestätigung bedurft hätte, das war sie. Natürlich nahm die
Faust Gottes
hier ihren Ausgangspunkt, wo denn sonst? Den Rest von Feisullas Erklärungen nahm Kaufner kaum wahr, so sehr erregte ihn das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein und ganz nah dran. Feisulla zählte die Schwierigkeiten auf, die in diesem Gebirge auf einen »Wanderer« warteten, Wildschweine, Wölfe, Bären, Tadschiken … Er zählte unter Zuhilfenahme einer Hand, und zwar vom kleinen Finger her, indem er sie zunächst als Faust geballt hielt und die Finger der Reihe nach ausstreckte. Dann indem er sie krümmte, ebenfalls mit dem kleinen Finger beginnend … Und außerdem sei es das Gebiet der
Faust Gottes.
»Da gehen selbst wir nicht hin, Ali.«
    »Wir schon«, hörte sich Kaufner sagen. Zum ersten Mal hatte er von sich und seinesgleichen gesprochen, als würden die Paßgänger alle irgendwie zusammengehören; oder wie hatte er es eigentlich gemeint?
    »Ich weiß«, nickte der General: »Ihr seid unbelehrbar, ihr wollt sterben.« Dabei könnte er zwar behilflich sein, aber … warum ausgerechnet ihm?
    »Weil ich Deutscher bin«, hörte sich Kaufner sagen. »In Europa sind wir Waffenbrüder, in Asien sind wir’s ebenso.«
    Das wollte der General nicht uneingeschränkt stehen lassen; wenn einer in jener Brüderschaft die Waffen führe, dann ja wohl die Türken. Ob es Deutschland ohne die Türken überhaupt noch gebe? Obendrein, seitdem die Russen sämtliche Freien Festen im Osten »einkassiert« hätten, »eure letzten autonomen Gebiete«? Dröhnendes Gelächter. Feisulla hörte sich gern reden, ob seine Informationen auch alle stimmten? Kaufner versagte sich eine Nachfrage, lobte die Tapferkeit der türkischen Armee, pries die Charaktereigenschaften der Türken, mittlerweile seien es die »deutscheren Deutschen«. Das gefiel dem General, er beschloß, Kaufner zu helfen. Nein, kein Gefallen, sondern Waffenbrüderschaft. Gelächter.
    Nur für das G 3 , das Feisullas Leute inzwischen in seinem Rucksack gefunden hatten, mußte Kaufner bezahlen. Nämlich dafür, daß es nicht beschlagnahmt wurde. Es kostete mehr, als er auf dem Schwarzmarkt dafür ausgegeben hatte; damit stand er aber auch unter dem persönlichen Schutz des Generals. Ein paar Telephonate, Instruktionen, Fußtritte nebenbei, »den Rest erledigt Taifun«. Keine Augenbinde diesmal, Feisulla ließ sogar seinen eigenen Wagen vorfahren, um Kaufner standesgemäß zu chauffieren. Während er mit ihm vor die Tür trat, wollte er ihn noch schnell in ein Gespräch über Gedichte ziehen. Ob er den neuen Band des Präsidenten gelesen habe? Feisulla meinte den usbekischen Präsidenten, meinte »Leerer Berg«.
    Er habe davon gehört, erwiderte Kaufner.
    Feisulla rühmte die Schönheit der enthaltenen Gedichte, zitierte mit Pathos: »Die Fahne tanzt nicht,/wo kein Sturmwind ist./Der

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