Sams im Glück
Taschenbier zum Wärter. »Ich muss gar nicht in den Hof. Irgendwie kann ich Höfe sowieso nicht ausstehen. Ich bleibe lieber im Zimmer.«
»Hier bleibt niemand im ›Zimmer‹!«, sagte der Wärter. »Los, gehen Sie mit den anderen Häftlingen nach draußen!«
Herr Taschenbier ging sehr langsam, sehr zögernd hinter den anderen her in den Gefängnishof. Der war gepflastert und von sehr hohen Mauern umgeben.
Gleich neben dem Tor sah er Helmut und Kevin bei einem großen, bulligen Mann stehen.
Das war offenbar Udo. Er sah aus, als könne er einen randgefüllten Kühlschrank lässig in die Höhe stemmen. Seine muskelbepackten Oberarme waren etwa doppelt so dick wie Taschenbiers Oberschenkel.
Helmut zeigte gerade auf Herrn Taschenbier und sagte: »Udo, das ist der asiatische Kämpfer, der behauptet, dass du gegen ihn keine Chance hast.«
Herr Taschenbier rief: »Aber nein, Herr Udo! Das habe ich nie behauptet. Das ist ein Missverständnis.«
Udo machte ein paar Schritte auf ihn zu. »Da hast du wohl vor deinen Kumpels ein bisschen angeben wollen, was?«, sagte er. »Und jetzt machst du dir vor Angst in die Hose, du Zwerg.«
Herr Taschenbier trat ein paar Schritte zurück und rief: »Herr Udo, ich bin ein friedlicher Mensch. Ganz harmlos!«
Udo kam noch etwas näher, blieb stehen, hob beide Fäuste und sagte: »So, jetzt kannst du zeigen, was du draufhast!«
»Ich habe nie behauptet, dass ich was draufhabe«, sagte Herr Taschenbier hastig. »Man muss doch nicht immer gleich kämpfen, finden Sie nicht? Wir sollten uns lieber nett unterhalten. Wie finden Sie die Luft hier draußen? Ist doch angenehmer als im Zimmer, ich meinte: in der Zelle. Schade, dass die Sonne nicht scheint. Das Wetter könnte ein bisschen schöner sein.«
»Was quasselt der vom Wetter?«, fragte Udo.
»Es sieht so aus, als hätte Tasche Mitleid mit Udo«, sagte Kevin.
»Tasche will dich schonen«, sagte Helmut.
»Mich schont keiner!«, sagte Udo grimmig.
Herr Taschenbier wich zurück, bis er mit dem Rücken an der Hofmauer stand.
»Hat Tasche wirklich solche Angst, oder verstellt er sich nur?«, fragte Helmut.
»Keine Ahnung. Werden wir gleich sehen«, sagte Kevin.
»Bitte, Herr Udo …«, fing Herr Taschenbier an. Da – PLING – änderte sich ganz plötzlich seine Haltung. Er tänzelte herum und fing an zu singen:
»Herr Udo fühlt sich mächtig stark,
doch seine Muskeln sind aus Quark!«
»Dir werd ich zeigen, woraus meine Muskeln sind!«, rief Udo, holte aus und wollte nach Herrn Taschenbier schlagen. Da hatte der sich schon blitzschnell weggeduckt. Udo schlug mit voller Kraft gegen die Mauer hinter Taschenbier und schrie wütend auf.
Herr Taschenbier tänzelte weiter um ihn herum und rief:
»Schaut, wie doof der Udo guckt:
Tasche hat sich weggeduckt.«
Udo holte zu einem zweiten Schlag aus. Diesmal mit der linken Faust, denn die rechte hatte er sich beim Schlag gegen die Mauer verstaucht. Aber wieder sprang Herr Taschenbier so schnell zur Seite, dass Udos andere Faust gegen die Mauer donnerte.
»Seht, wie doof der Udo schaut,
weil er stets danebenhaut!«,
sang Herr Taschenbier.
»Jetzt zeigt Tasche sein wahres Gesicht«, sagte Helmut anerkennend zu Kevin. »Ich bin gespannt, wie der Kampf endet.«
Udo stand einen Moment fassungslos da und betrachtete seine Fäuste, als könne er nicht glauben, was ihm passiert war.
Der samsige Taschenbier war längst um ihn herumgetänzelt und rief nun hinter Udo: »Huhu! Hier bin ich, hier bin ich!«
Kaum hatte sich Udo schwerfällig umgedreht, bekam er auch schon von Taschenbier zwei Tritte verpasst. Einen aufs linke, einen aufs rechte Schienbein.
»Guckt, wie doof der Udo blickt,
wenn man ihm ans Schienbein kickt«,
sang Herr Taschenbier und rannte weg, auf die gegenüberliegende Mauer zu. Kurz bevor er die Mauer erreicht hatte, machte er einen eleganten Sprung zur Seite.
Udo war hinter Taschenbier hergelaufen und wollte schon nach ihm greifen, konnte aber nicht mehr rechtzeitig bremsen. Er knallte mit dem Kopf gegen die Mauer und fiel ohnmächtig zu Boden.
Alle Häftlinge im Hof klatschten Beifall. Udo schien wirklich sehr unbeliebt zu sein.
Herr Taschenbier beugte sich über ihn. »Nichts Schlimmes!«, rief er den anderen zu. »Er wird bald wieder zu sich kommen. Er atmet normal. Normal wie ein Wal, sagt der Aal jedes Mal.«
Der Hofaufseher hatte den Kampf beobachtet und gleich Verstärkung angefordert. Denn nun stürzten sich gleich vier Wärter auf Herrn
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