Sams im Glück
Bärchen«, sagte sie. »Ich saß länger als eine Stunde an der Nähmaschine, bis mein Gewand endlich fertig war. Wie findest du es?«
»Richtig schön arabisch«, sagte Herr Mon.
»Darf ich heute deine Lieblingsfrau sein?«, fragte sie.
»Ja, das darfst du«, sagte Herr Mon, setzte sich noch eine Sonnenbrille auf und schien mit seinem Spiegelbild zufrieden zu sein.
»Ich fühle mich heute schon den ganzen Nachmittag so arabisch«, sagte sie. »Komisch, ich kann gar nichts dagegen tun.«
»Mir geht es genauso«, sagte Herr Mon. »Dabei ist heute gar kein Fasching.«
»Kannst du denn Arabisch, Bärchen?«, fragte sie.
»Ja, fließend, mein Täubchen«, bestätigte er. »Bengasi rabat marrakesch Agadir? Ennam, basra aleppo!«
»Großartig. Sogar akzentfrei!«, lobte sie ihn und setzte auch eine Sonnenbrille auf. »Das müssen wir gleich unserem Freund Bruno zeigen.«
Herr Oberstein stand inzwischen vor der Maschine.
»Sieht sehr professionell aus«, sagte er. »Beeindruckend.«
»Geradezu bezweidruckend«, bestätigte Herr Taschenbier.
»Und warum liegt dieses Tuch über der Maschine?«, fragte Herr Oberstein.
»Das Tuch schützt die Maschine«, erklärte Herr Taschenbier ihm. »Durch das Loch im Dach genau über der Maschine könnte ja etwas auf sie drauffallen.«
»Drauffallen? Fürchten Sie, der Himmel stürzt ein?«, fragte Herr Oberstein lachend.
»Nein. Aber ein Vogel, der darüber hinwegfliegt, könnte ja etwas fallen lassen, gewissermaßen von hinten, wenn Sie mich verstehen, Chef«, sagte Herr Taschenbier.
»Ich verstehe«, sagte Herr Oberstein. »Und jetzt …«
Weiter kam er nicht, denn nun ging die Tür des Erfinderzimmers auf, und ein arabischer Scheich kam herein, gefolgt von einer verschleierten Frau.
Er verbeugte sich vor Herrn Taschenbier und sagte: »Aslama, Sidi Taschenbier. Manami Wadi hadramant. Birkat al mous, Riad? Ennam, schibam hadramant!«
Herr Taschenbier sagte zu Herrn Oberstein: »Oh, ich hatte ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass sich auch ein Scheich aus Abu Karawani für heute angemeldet hat. Er interessiert sich ebenfalls für meine Maschine und möchte das Patent dafür erwerben, bekommen, wenn nicht sogar kriegen.«
Herr Obersteins Miene verfinsterte sich. »Musste das sein, Taschenbier?«, fragte er leise. »Es sollte doch ein Geschäft zwischen uns beiden werden. Was will dieser Scheich hier?«
»Ich schätze, er möchte mitbieten«, sagte Herr Taschenbier.
Der Scheich klopfte an die Maschine, legte das Ohr ans Gehäuse und lauschte. Dann nickte er. Er schien zufrieden zu sein, wandte sich an Herrn Taschenbier und sagte: »Abu Dhabi Kirkuk, al dschasira Amman Dollar? Ennam, Dschibuti Akaba.«
»Was sagt er?«, fragte Herr Oberstein. »Spricht er nicht wenigstens Englisch?«
»Ich kann es Ihnen übersetzen, Chef«, sagte Herr Taschenbier. »Er hat gesagt: Ist mir diese Maschine fünfzigtausend Dollar wert? Ja, das ist sie mir.«
»Seit wann sprechen Sie Arabisch, Taschenbier?« Herr Oberstein war beeindruckt. »Wo haben Sie das gelernt?«
»In der Volkshochschule«, sagte Herr Taschenbier. »Natürlich nur in meiner Freizeit.«
»Hm. Fünfzigtausend!«, sagte Herr Oberstein. »Das ist sie mir auch wert, die Maschine. Sagen Sie dem Herrn Scheich, ich biete einundfünfzigtausend, und verabschieden Sie ihn höflich.«
Herr Taschenbier wandte sich an den Scheich, zeigte auf Herrn Oberstein und sagte: »Sidi Oberstein Tripolis Rabat marrakesch Oman Djerba!«
Der Scheich und seine Frau flüsterten miteinander. Sie redete heftig auf ihn ein.
»Was sagt sie?«, fragte Herr Oberstein.
»Sie sagt, ihr Mann soll zehn von seinen weißen Kamelen gegen die Maschine tauschen«, übersetzte Herr Taschenbier.
»Und was sagt er?«, fragte Herr Oberstein.
»Er will sein weißes Kamel behalten – ich wollte sagen: seine weißen Kamele. Er trennt sich lieber von ein paar Tausend Dollar.«
Der Scheich rief: »Asara alf Dollar. Ouarzazate aleppo!«, und kam mit ausgestreckter Hand auf Herrn Taschenbier zu.
»Schlagen Sie nicht ein!«, warnte Herr Oberstein. »Was hat er gesagt?«
»Er bietet sechzigtausend Dollar«, übersetzte Herr Taschenbier.
»Sechzigtausend!«, rief Herr Oberstein. »Gut, ich gehe mit. Das ist aber mein letztes Wort!«
Herr Taschenbier sagte zum Scheich: »Akaba Amman, Schibam …«
Mitten im Satz stockte er und blickte sich erstaunt im Zimmer um.
Der Wunsch hatte – PLING – seine Wirkung verloren, Herr Taschenbier war wieder normal.
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