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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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sondern von seiner Seele. Deren Krankheiten kann man ihrer Meinung nach mit Chemie zwar beeinflussen, aber nicht heilen.
    Ihr letzter Arztbesuch liegt Jahre zurück. Sie geht nur noch zu ihrem Heilpraktiker. Er heißt Kim. Sie hielt das immer für einen asiatischen Frauennamen, und eigentlich wollte sie zu einer Heilpraktikerin. Als sie dann vor ihm stand und er sagte: „Ich bin Kim“, war sie so überrascht, dass sie nicht mehr zurück konnte.
    Er heilte ihre Akne mit Tees und ihre Migräne durch Handauflegen und Massagen. Was würde er mit Yogi machen, fragt sie sich.
    Sie streichelt Yogis Nackenhaare, während er malt. Er wirkt dabei nicht entspannt. Er spuckt Bläschen aufs Papier. Sein Gesicht verzerrt sich, spiegelt den inneren Kampf. Seine Angst.
    Als sie das Bild anschaut, erschrickt sie. Was geht in ihm vor? Welche Geister quälen ihn? Er muss sich im Moment in der Hölle befinden und dieses Bild drückt seine Angst und Hoffnungslosigkeit aus.
    Sie geht zum Telefon und ruft bei Schmidtmüllers an. Sie will wissen, ob etwas vorgefallen ist.
    Schmidtmüller hebt ab. Yogis Schwester sei ermordet worden, sagt er. Die Erklärung reicht Petra Freitag natürlich. Aber einen Moment später, als sie ihr Beileid und ihr Bedauern ausdrücken will, fügt er hinzu: „Aber davon weiß Yogi noch nichts. Bitte sagen Sie es ihm nicht. Er würde es sowieso nicht verstehen.“
    „Herr Schmidtmüller … ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen das sagen soll, aber ich glaube, er ahnt es. Er malt solch schreckliche Bilder.“

31
    So aufgeregt ist selten ein Treffen verlaufen.
    Wolf hat die Drei-Millimeter-Schere besorgt. Damit ist die teure Haarschneiderei bei dem Schicki-Micki-Friseur endlich vorbei. Wolf konnte die Schwuchtel noch nie leiden.
    Wenn es nach ihm ginge, dürfte gar kein Mann Friseur werden. Männer, die Frauenarbeit machen. Lächerlich. Eine Schande. Männer, die Flurtreppen putzen oder Kleider nähen, Suppen kochen oder Wäsche waschen, die maniküren sich auch irgendwann ihre Fingernägel.
    Wenn Gott gewollt hätte, dass Männer und Frauen gleich sind, hätte er sie nicht unterschiedlich erschaffen. Auch nicht Schwarze und Weiße. Fische sind keine Pferde. Vögel keine Elefanten.
    Wolf benutzt Gott gerne als Argument. Oder die Natur. Oder Deutschland.
    Wenn Gott gewollt hätte … In der Natur ist das so … Als man vor Deutschland noch Respekt in der Welt hatte, da …
    Er glaubt natürlich nicht wirklich an Gott. Aber wer tut das schon? Muss man an etwas glauben, um es für sich ins Feld zu führen?
    Im Grunde mag Wolf auch Siggis Beruf nicht. Konditor. Wie sich das schon anhört. Aber Wolf meckert nicht, sonst denken die anderen nur, es sei Neid, weil er selbst noch nichts Richtiges gefunden hat.
    Wolf hoffte, mit seiner Drei-Millimeter-Schere im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, Anerkennung zu bekommen und Zuwendung. Immerhin sparen alle durch ihn Geld.
    Der Kompromissschnitt ist jetzt möglich. Nicht ganz Glatze und auch nicht die Normalnummer. Der Drei-Millimeter-Haarschnitt ist das gesellschaftlich gerade noch akzeptierte Aussehen der Skins.
    Mit diesem Bürstenschnitt kann Peter in die Kfz-Werkstatt gehen, ohne angemacht zu werden. Dieter kann sich damit vorstellen, ohne dass man ihm vorwirft, er wolle ja gar keine Arbeit. Denn wer wirklich Arbeit suche, hätte keine provokative Glatze. Auch Jürgens Eltern werden sich darüber freuen. Sogar Max überlegt, ob er seine Hitler-Gedenkfrisur zugunsten des Drei-Millimeter-Haarschnitts aufgeben soll. Er weiß nur nicht, ob das Bärtchen dazu passt. So dürfte er vielleicht aus dem Gewächshaus raus und käme in Kontakt mit den Kunden. Aber will er das?
    Obwohl die Maschine so viel für die Ichtenhagener Ultras bedeutet, kriegt Wolf nicht die erhoffte Aufmerksamkeit. Siggi stiehlt ihm die Show mit seiner ermordeten Schwester.
    Peter sitzt gerade auf dem Stuhl und lässt sich die „Pennerfrisur“ abrasieren, als Siggi erscheint. Etwas zu spät, was heute aber keinen stört.
    Peter bringt seinen letzten Satz noch zu Ende. Mit der Maschine, meint er, sollten sie „allen Mösen die Köpfe rasieren, die mit Ausländern gehen“.
    „Warum nur die Köpfe?“, grinst Dieter.
    Max nickt und gibt Siggi eine Dose Bier.
    Dann das allgemeine Schulterklopfen. Er braucht nichts zu sagen. Alle wissen Bescheid. Wolf hat sie informiert. Er war schließlich dabei, als der Anruf …
    Siggi knackt die Dose. Er leert sie in einem Zug. Er stöhnt. Jetzt sehen ihn alle an. Er

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