Samstags, wenn Krieg ist
eine Sendung gemeinsam gucken, ist für ihn eine Nervenprobe.
Ihre Ehe ist durch eine harte Krise gegangen. Sie standen kurz davor, sich zu trennen. Es war eigentlich mehr eine Art Wohnungssharing als eine Ehe. Es kam ihr so vor, als hätten sie keine gemeinsame Freizeit. Es gab Sachzwänge, klar, aber man kann sich sein Leben auch so einrichten, dass man sich so gut wie möglich aus dem Weg geht. Arbeit ist als vorgeschobenes Argument weniger verletzend als Desinteresse.
Sie schliefen in ihrer schlimmsten Zeit kaum noch miteinander. Alle sechs Wochen höchstens. Und auch dann nur, um es hinter sich gebracht zu haben. Damals wäre sie gar nicht auf die Idee gekommen, in seinem Beisein kaum bekleidet im Haus herumzulaufen und er hätte es vermutlich nicht einmal bemerkt.
Inzwischen erhält sie von verschiedenen Firmen Kataloge, aus denen sie sich ihre Dessous aussucht. Da legt sie gerne mal für eine Garnitur Seidenunterwäsche ein paar hundert Mark hin. Was soll das Geld auf der Sparkasse? Er verdient gut. Sie verdient gut.
Im Grunde hat sie es schon lange nicht mehr nötig, zu arbeiten. Wenn es nach ihm ginge, würde sie eher heute als morgen aufhören. Er hasst den Gedanken, dass seine Frau mit all dem Schmutz in Berührung kommt. Wenn er daran denkt, dass sie Verbrecher verhört, braucht er Baldrian. Allein die Sprache! Nein, das ist kein Job für eine Frau.
Jetzt dieser Frauenmord … In seiner Vorstellung jagt sie einen Lustmörder und wer sich in Gefahr begibt, kann leicht darin umkommen. Vielleicht saß sie heute schon diesem Schwein gegenüber. Vielleicht hat er ihr begehrlich auf die Titten geguckt.
Hans Bilewski muss sich schütteln.
Erst jetzt merkt er, dass sie keinen Cocktail im Glas hat, sondern eine Sprudeltablette. Er kommt aus seinem Urwald hervor, sieht sie an und sagt: „Harten Tag gehabt, oder kriegst du deine Tage?“
Sie legt die Beine übereinander. „Kopfweh.“
„Leg dich doch hin.“
Sie nickt. „Ja. Mach ich auch gleich, Aber erst muss ich geistig aussteigen.“
Die Tatortmelodie erklingt. Er zeigt auf den Apparat. „Dabei?“
„Hm. Guckst du mit?“
„Schaltest du auch nicht um?“
Sie lächelt. „Die bringen doch zwischendurch keine Werbung.“
Er hebt und senkt die Schultern. „Ich muss morgen eine Rede halten. Bezirksvertreterkonferenz. Einschätzung der neuen Bundesländer. Die veränderte Situation der Lebensversicherungen durch die Zinsbesteuerungsgesetze, die Performance bei den dreißigjährigen Rentenpapieren und …“
Er steht zwischen Vera und dem Fernseher. Sie versucht höflich, um ihn herum zu gucken.
„Du hörst mir ja gar nicht zu.“
„Stimmt. Sei nicht böse, aber dieser ganze Quatsch interessiert mich heute nicht. Setz dich zu mir, du verpasst sonst den Anfang.“
Er tut es und legt seine Hand auf ihr Bein. Seine Fingerspitzen berühren ihren Seidenslip. Seide ist für ihn mindestens so erotisch wie Haut.
33
Es riecht nach Oregano, Thymian, Basilikum und frischem Knoblauch. Nach geschmolzenem Käse und Thunfisch.
Herr Oliverio betreibt nicht irgendeine Pizzeria. Es ist sein Ehrgeiz, die beste Pizza weit und breit zu verkaufen.
Es reicht nicht, gut zu sein. Heutzutage nicht mehr. Man muss schon erstklassig sein, wenn man überleben will. Das hat er Gino schon tausendmal gesagt. Nur frische Zutaten. Keine eingelegten Paprika. Das Zeug schmeckt nur nach Essig. Da können sich die Leute gleich eine Tiefkühlpizza kaufen und in den Backofen schieben. Oder schlimmer noch, in die Mikrowelle.
Von all dem Schund setzt Herr Oliverio sich bewusst ab. Seine Pizza ist gut eine Mark teurer als anderswo, aber dafür schmeckt sie für zehn Euro besser. Sie sparen also neun Euro. Wenn das kein Geschäft ist …
Maria, seine hübsche Tochter, hat schon seit einer Stunde frei.
Herr Oliverio trinkt mit seinen letzten Gästen noch einen Sambuca. Je drei Kaffeebohnen im Glas und dann brennend serviert.
Es sind Stammkunden. Sie kommen jeden Montag. Montags haben fast alle Restaurants in Ichtenhagen zu. Nur Oliverio nicht und Willi. Aber dessen gutbürgerliche Küche ist für Herrn Oliverio keine Konkurrenz.
Er bringt die Gäste persönlich zur Tür und schließt ab. Dann schenkt er sich ein Glas Rotwein ein und setzt sich an die Theke. Das macht er immer so. Jeden Abend, bevor er nach Hause geht, lässt er den Tag Revue passieren und dankt dem Herrn für das Glück, das er hat. Eine anständige Tochter, eine gute Frau, einen fleißigen Sohn und ein
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