Samstags, wenn Krieg ist
hat noch kein Wort gesagt.
Voller Hass brüllt er: „Wenn ich den packe, äi, Leute, ich sag euch, den mach ich alle!“
Siggi zerquetscht die leere Bierdose in der Hand.
Alle nicken. Da sind sie bei. Keine Frage.
Wolf drückt Siggi noch eine Dose in die Hand. „Zieh dir einen, Alter.“ Siggi nimmt noch einen tiefen Zug.
„Wenn ihr mich fragt, Kameraden, ich weiß , wer es war“, sagt Wolf.
Jetzt hat er die volle Aufmerksamkeit. Sie würden es jetzt nicht einmal merken, wenn sich die Sitzflächen unter ihnen in heiße Ofenplatten verwandeln würden. Dieters Unterlippe hängt schlaff herab. Jürgen verbrennt sich die Lippen an der Selbstgedrehten.
Siggi spürt einen Anflug von Schwindel.
„Wo war sie denn am Samstagabend?“, fragt Wolf lauernd. Sein Gesicht zeigt, dass alle es wissen müssten.
„Jedenfalls nicht bei uns …“
„Halt’s Maul, Jürgen.“
Jürgen sieht ein, dass es wohl besser für ihn ist.
Siggi antwortet: „Auf der Itakerfete.“
„Genau. Richtig. Der Kandidat hat hundert Punkte!“, nickt Wolf.
„Du meinst …“
„Na, fällt der Groschen endlich?“
Max atmet heftig aus. „Na klar, der …“
Weiter kommt er nicht. Wolf tritt ihm gegen das Knie. Siggi soll selbst drauf kommen. Verwundert sieht Max den Fuß an, mit dem Wolf getreten hat. Turnschuhe.
Komisch, denkt Max, auch Siggi trägt keine Springerstiefel mehr. Was ist hier eigentlich los?
„Gino Oliverio?“, fragt Siggi entgeistert.
„Er oder einer seiner Itakerfreunde. Ist die Polizei noch nicht drauf gekommen? Kein Wunder. Die Polizei, dein Ausländerfreund und Asylantenhelfer. Die verdächtigen eher einen unserer Väter als das Dreckspack.“
Siggi beißt auf seiner Unterlippe herum. Sie platzt. Er bemerkt nicht, dass er blutet.
„Jedenfalls ist sie lebend zu dieser Fete gegangen und nicht mehr nach Hause gekommen. Stimmt’s?“
„Stimmt. Denen werde ich …“
Siggi will gleich raus. Wolf hält ihn fest.
„Langsam, mein Freund. Ruhig Blut. Das wollen die nur, dass wir durchdrehen. Wir müssen das ganz in Ruhe planen. Eine saubere militärische Strafaktion.“
„Die wissen nicht, mit wem sie sich angelegt haben“, prophezeit Dieter voller Vorfreude.
32
Kommissarin Vera Bilewski liebt es, zuhause in Unterwäsche herumzulaufen. Wenn es an der Tür klingelt, schlüpft sie in ein Kleid, das für diesen Zweck immer an der Garderobe hängt.
Sie geht gern mit den nackten Füßen über die dicken Teppichböden. So wollte sie es immer haben. Sie fühlt sich freier so, sagt sie. In Höschen und BH. Aber das ist es nicht allein.
Ihr Mann Hans, Inhaber einer Versicherungsvertretung und aktiv in der Kommunalpolitik, arbeitet gern zuhause. Sein Büro läuft auch ohne ihn, behauptet er manchmal, aber das stimmt nicht. Er verbringt dort gut acht bis zehn Stunden täglich. Dann nimmt er sich Arbeit mit nach Hause, für abends, die Wochenenden, die Feiertage.
Er hat gelernt, dass man hart für sein Geld arbeiten muss. Ihm ist nie etwas geschenkt worden im Leben. Er wollte Arzt werden, aber er hatte kein Geld fürs Studium. Von seinen Eltern hätte er keinen Cent genommen. Schon aus Prinzip nicht.
Er fing als Drücker an. Türklinkenputzen. Jetzt hat er eine eigene Vertretung und eigene Drücker unterwegs. Er achtet darauf, dass sie korrekt arbeiten. Eine Beschwerde, ein unlauterer Abschluss, und er trennt sich von dem Mitarbeiter. Das ist er seinem und Veras Ruf schuldig. Es gibt zu viele schwarze Schafe in der Branche. Hans Bilewski ist ein Denkmal an Rechtschaffenheit.
Er hat im ersten Stock einen kleinen Arbeitsraum, neben dem Schlafzimmer. Aber dort sitzt er kaum. Meistens nimmt er sich Akten und Computerausdrucke mit in das große Wohnzimmer. Dort steht in einer Ecke, von Yuccabäumen und Kakteen fast verdeckt, ein Schreibtisch mit einem bequemen Ohrensessel.
Vera weiß , dass sie ihn nervös macht, wenn sie so rumläuft. Immer noch, nach all den Jahren. Durch die Zimmerpflanzen guckt er ihr zu, erhascht einen Blick und wendet sich dann wieder seinen Zahlenkolonnen zu.
Wenn Vera vom Dienst kommt, ist sie meist ausgepowert. Sie legt sich auf die Couch, schlürft einen Orangensaft mit Campari und zappt sich mit der Fernbedienung einmal quer durch alle Programme. Selten verweilt sie. Sobald Werbung läuft, switcht sie weiter. Beim Fernsehgucken legt Vera die Fernbedienung nie aus der Hand. Er ist da anders. Wenn er von einem Film den Anfang sieht, dann will er auch wissen, wie es weitergeht. Mit ihr
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