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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wolf
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nicht der richtige Ansprechpartner.“
    Siggi knallt den Hörer auf. Er muss hier raus.
    „Ich will sie sehen“, sagt Frau Schmidtmüller trocken. „Ich möchte zu Renate.“
    Ihr Mann sieht sie fassungslos an. Für ihn ist der Gedanke, seine tote Tochter zu besuchen, unerträglich.
    „Ich gehe mit“, sagt Siggi emotionslos. Dabei flattert sein Magen wie eine aufgeschreckte Taube.
    Er will seine Bomberjacke anziehen, aber Mutter zuliebe holt er seine Jeansjacke aus dem Schrank. Jetzt nur keinen Ärger wegen der Klamotten.
    Sie honoriert die Jeansjacke mit einem freundlichen Blick. Dann senkt sie die Augen, schaut auffordernd auf seine Springerstiefel.
    „Okay, ist ja okay“, räumt er sofort ein und geht zum Schuhschrank. Er wird die Wildlederschuhe anziehen, obwohl so etwas eigentlich nur Schwule tragen, jüdische Geschäftsleute oder türkische Zuhälter.
    Er sitzt vor dem Schuhschrank im Flur auf dem Boden und zieht die Schuhriemen durch die Löcher, als Vera Bilewski klingelt. Frau Schmidtmüller öffnet.
    Sein Kopf ist in Kniehöhe. Die Kommissarin sieht ihn zunächst nicht. Sie konzentriert sich ganz auf das Gesicht von Elke Schmidtmüller.
    Vera Bilewski trägt ein hellgraues Kostüm. Der Rocksaum endet kurz über den Knien. Schwarze Pumps. Schwarze Nylons. Sie steht so nah bei Siggi, dass er glaubt, ihr Geschlecht riechen zu können. Er steht auf schwarze Nylons, auf Röcke und High Heels. Ihre Schuhe sind nur eine Andeutung von richtigen High Heels, aber immerhin. Sofort schießt Blut in sein Glied. Er kriegt nicht wirklich einen Steifen, aber sein unbefriedigter Freund erwacht aus dem Schlaf und schwillt an.
    Siggi schielt ihr unter den Rock. Viel kann er nicht sehen. Die Beine verschwinden in dieser dunklen Höhle aus Stoff.
    Vera kann den Schmerz der Frau sehen und spüren. Sie spult ihr Sprüchlein ab und versucht herauszufinden, ob Frau Schmidtmüller schon in der Lage ist, ein paar Fragen zu beantworten. Doch da ist noch etwas. Ein störender Faktor. Etwas Falsches. Unangenehmes. Bedrohliches vielleicht. Es ist unter ihr. Sie sieht nach unten.
    Da sitzt Siggi. Ihre Blicke treffen sich. Siggi nickt freundlich und schlüpft in die Wildlederschuhe.
    Sie möchte einen Satz in seine Richtung loswerden. Eine zynische Bemerkung, aber sie schluckt sie runter. Immerhin kam sie hierher. Siggi saß vermutlich schon auf dem Teppich, bevor sie klingelte. Nichts spricht wirklich gegen ihn. Sicherlich hat er sich nicht gerade wie ein Gentleman benommen, aber wenn sie jetzt etwas sagt, steht sie als hysterische Kuh da, fürchtet sie.
    Sie wird hereingebeten. Als erstes empfindet sie eine merkwürdige Enge, obwohl die Räume für ein Einfamilienhaus recht großzügig gebaut sind. Trotzdem spürt sie Hitzewellen kommen und der Drang, die Fenster aufzureißen, ist wieder da. Fast unwiderstehlich.
    Aber sie erfährt sofort so viel, dass sie es nicht einmal schafft, aus der Kostümjacke zu kommen. Niemand bietet ihr einen Platz an. Sie steht herum.
    Frau Schmidtmüller sprudelt los. Welche Sorgen sie sich gemacht hat, dass sie gleich das Schlimmste befürchtet hat. Renate sei ein anständiges Mädchen. Dann fallen Namen. Wolf Kleinhaupt. Gino Oliverio.
    Schmidtmüller holt sich ein Glas Wasser für zwei Tabletten.
    Vera Bilewski setzt sich. Wenn man immer darauf wartet, bis einem ein Platz angeboten wird, kriegt man schon in jungen Jahren Krampfadern.
    Sie zückt einen Block und schreibt ein paar Details mit. Namen. Uhrzeiten.
    Normalerweise hätte sie zu diesem Termin ihren Kollegen Kramer mitnehmen müssen, oder wenigstens einen Streifenbeamten. Aber bei der Personalsituation in der Dienststelle kann man sich diese Doppelnummern nur sehr selten leisten. Kramer tippt in der Zeit Berichte. Sie bräuchte allein für die Spesenabrechnungen und Urlaubsanträge eine Sekretärin.
    Sie schreibt, ohne auf ihren Block zu sehen, denn sie will die Atmosphäre in sich aufsaugen. Wie lebte Renate?
    Als Vera Bilewski die Beine übereinander schlägt, knistert Siggis Blick zwischen ihren Schenkeln. Als sie ihn mit den Augen zurechtweisen will, ohne den Redefluss von Frau Schmidtmüller zu unterbrechen, dreht er sich um und geht in sein Zimmer. Durch die offene Tür sieht Vera Bilewski die Reichskriegsflagge an der Wand hängen.
    „Darf ich mal das Zimmer Ihrer Tochter sehen?“, fragt sie.
    Frau Schmidtmüller scheint die Frage gar nicht zu hören.
    Schmidtmüller nickt und geht voran die Treppe hoch.
    Das Zimmer ist klein. Eine

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