Samstags, wenn Krieg ist
und eine, die ihn aufhetzt.
Du kannst ja nicht hören. Das hast du jetzt davon. Sorg wenigstens dafür, dass nicht der Falsche getötet wird.
Die aggressive Stimme tönt: Lass dich nicht fertigmachen! Was interessiert dich dieser Gino? Alles, was von dir ablenkt, ist gut. Alles!
Dann hört Wolf sich sagen: „Wir wissen doch beide, dass dieser Scheißitaker es nicht war.“
Dieser Satz trifft Siggi wie ein Baseballschläger. Ihm wird schwindlig. Er kriegt keine Luft mehr. Er weiß nicht, ob er ein- oder ausatmen soll. Seine Lungen streiken. Sie haben ihre Blasebalg-Funktion verloren, als wären sie plötzlich mit flüssigem Plastik ausgegossen worden.
Du verrätst dich selber, du Versager. Du willst Deutschland retten? Du kannst ja nicht mal für dich selbst sorgen!
Die Häme in dieser Stimme macht Wolf fertig. Gegen sie kämpft er ein Leben lang an, gegen die Gewissheit, dass er scheitern wird, weil er ein geborener Versager ist.
Denk an Yogi, warnt die andere Stimme ihn. Er wird dich verraten. Er muss weg. Gino ist längst erledigt. Schaff Yogi aus dem Weg. Erledige sie alle. Siggi wird dir bald drauf kommen. Siggi ist intelligenter als du. Aber dazu gehört ja auch nicht viel.
Meckernd gewinnt die hämische Stimme die Oberhand. Ja, klar. Das sieht dir ähnlich, deinen besten Freund willst du erlegen. Wie soll das weitergehen? Am Ende muss noch deine eigene Mutter dran glauben, was? Wagst du, die Hand gegen deine Mutter zu erheben?
„W…wie meinst du das?“, fragt Siggi. Er presst die Worte heraus, als müsse er sie ausscheißen.
Dann kriegt er endlich wieder Luft. Schwer hebt und senkt sich sein Brustkorb.
„Yogi war es. Ich hab es gesehen.“
Der Druck hinter Siggis Augäpfeln wird zu groß. Sie quellen hervor. Er hat das Gefühl, durch einen Tunnel zu gucken. Sein Blick ist seitlich eingeschränkt. Er nimmt nur noch Wolf wahr.
„Yogi?“
„Ja. Tu nicht so, als ob du es nicht wüsstest. Ich habe dir nur geholfen, den Verdacht auf Gino zu lenken, damit deinem Bruder nichts passiert. Ich habe es für dich getan.“
„Du lügst.“
„Mensch, Siggi, bist du wirklich so blind? Wo war dein Bruder in der Nacht? Du hast ihn doch selbst gesucht. Wo hast du ihn gefunden?“
Siggi kann nicht antworten. Jetzt wird ihm alles klar. Alles passt zusammen. Sein Verstand sagt: Ja, so war es. Aber sein Gefühl schreit: Nein! Niemals!
Selbst in der Dunkelheit erkennt Wolf, wie blass Siggi ist. Seine Haut leuchtet fast.
Siggi tut ihm nicht leid. Im Gegenteil. Wolf fühlt sich beschwingt. Alles wird gut. Er hat die Sache voll im Griff.
Er steckt eine Zigarette an und reicht sie Siggi. Siggi merkt gar nicht, dass er sie in der Hand hält. Er zieht nicht daran.
Wolf befürchtet, dass Siggi sich gleich schütteln könnte, aufsteht und weigert, weiter darüber zu reden.
Gib ihm den Rest. Jetzt! Wolfs Wortschwall übergießt Siggi. Walzt ihn nieder wie eine zähe, brodelnde Lavamasse.
„Ich bin zur Fete gegangen, um zu gucken, ob Renate wirklich da ist. Sie war da. Gino war gerade dabei, sie durchzubumsen. Yogi sah durchs Fenster zu. Ich habe ihn weggeschickt. Er geisterte ja die ganze Nacht draußen herum. Kurze Zeit später dann hat Gino Renate nach Hause gefahren. Sie bekamen wohl Krach im Auto. Er fuhr in den Graben. Sie ließ ihn sitzen und ging nach Hause. Ich stand dabei. Ich habe dem Arsch natürlich nicht geholfen. Dein Bruder Yogi war es. Er hat ihn rausgeschoben. Dann ist er hinter Renate her. Ich hörte sie schreien und bin hin. Er wollte mit ihr machen, was er vorher gesehen hatte. Sie wollte natürlich nicht. Er war wie toll. Er hatte so einen Ständer.“
„Hör auf! Du lügst!“, brüllt Siggi und stürzt sich auf Wolf. Sie wälzen sich kämpfend am Boden. Wolf spürt, Siggi hat ihm geglaubt. Er bäumt sich nur ein letztes Mal gegen die Erkenntnis auf.
Wolf wehrt sich nicht wirklich. Er hält Siggi nur fest. Siggi zittert. Schlägt noch einmal nach Wolf und beginnt dann zu heulen.
Prima gemacht, Junge. Toll, die Idee. So kannst du auch deine Fußabdrücke auf dem Boden erklären, falls einer sie findet. Die Geschichte glaubt dir auch die Polizei, wenn es hart auf hart kommt. So bist du ehrenhaft raus.
„Aber der Yogi macht doch so etwas nicht. Nicht mit seiner Schwester.“
„Siggi, der kann seine Schwester nicht von irgendeiner x-beliebigen unterscheiden. Und er hat sich schon öfter an Mädchen herangemacht.“
„Waaas?“
„Na, rate mal, warum der so gerne ins Schwimmbad geht.
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