Samstags, wenn Krieg ist
Sie wirft die alte Filtertüte in den Müll und füllt eine frische mit Kaffeepulver.
„Warum denn? Ich finde, es passt alles zusammen.“
Kramer verschränkt die Arme vor der Brust. „Da bin ich aber gespannt.“
Sie gießt Wasser in die Maschine. „Renate war die letzte auf der Party. Nachdem alle gegangen waren, schlief sie mit Gino.“
„Ja. Bis dahin bin ich auch schon.“
„Sie sagt ihm, dass sie mit Wolf Kleinhaupt und Peter Lentz Schluss gemacht hat. Sie will ganz bei ihrem Gino bleiben. Er gesteht ihr, dass er verheiratet ist und in Italien Kinder hat. Es kommt zum Streit.“
„Logisch.“
„Sie will nach Hause. Er fährt sie.“
„Obwohl er getrunken hat?“
„Genau. Der Wagen landet im Straßengraben. Renate verletzt sich. Sie will ihm nicht aus dem Graben helfen, sondern läuft quer über die Felder nach Hause. Er hinterher. Es kommt erneut zum Streit.“
„Er erwürgt sie.“
„Ja. Dann rennt er nach Hause. Kopflos erzählt er alles einem Freund. Der hilft ihm, den Wagen zu holen. Den Rest kennen wir.“
Das klingt für Kramer alles ganz einleuchtend. Er ärgert sich, dass er nicht darauf gekommen ist. Er gönnt Vera Bilewski den Erfolg nicht ganz. Er möchte seinen Anteil daran erhöhen, darum setzt er noch eins drauf: „Und weißt du, wo er mitten in der Nacht den Freund aufgetrieben hat?“
Sie schüttelt den Kopf und sieht ihn neugierig an.
„Na, der schlief bei ihm. Ein übriggebliebener Partygast. Freund genug, um dort übernachten zu dürfen und besoffen genug, um sich auf den Unsinn einzulassen.“
„Ich denk, sie war die letzte …“ Schon ärgert Vera sich über den Satz. Damit kann Kramer ihren Sieg in eine Niederlage verwandeln.
Er tut es. Belehrend doziert er: „Ja, sagt Gino Oliverio. Klar, dass er uns den Kumpel unterschlägt. Der wusste vielleicht nicht einmal etwas von dem Mord. Er hat nur einem Freund geholfen, der nachts liegengeblieben ist.“
„Wir müssen also unter den Partygästen suchen.“
Kramer atmet erleichtert aus. Er hat auch keine Lust, noch weiter Skinheads zu vernehmen. Diese Leute liegen ihm einfach nicht. Er ist froh, wenn sie nicht in seinem Sichtfeld auftauchen.
59
Zum zweiten Mal schleicht sich Siggi zum geheimen Ort, um die P 7 Parabellum auszugraben. Er weiß noch nicht wie, aber diesmal wird er Gino Oliverio ausblasen. Er träumt davon, wie der Terminator im Untersuchungsgefängnis aufzuräumen. Mit schweren automatischen Gewehren. Unbesiegbar mit herkömmlichen Waffen. Ein Wesen aus einer anderen Welt. Eine höhere Rasse, ein gnadenloser Vollstrecker.
Er ist nicht der Terminator. Unter seiner Haut fließt Blut. Dort sind verwundbare Knochen, keine Maschinenteile.
Trotzdem. So möchte er sein, wenigstens einmal im Leben. Schwarzenegger. Die unbezwingbare Kampfmaschine.
Siggi gräbt die Pistole aus, als würde er eine Frau ausziehen. Nicht irgendeine. Sondern die Superfrau. Die Traumfrau.
Der Himmel über ihm ist sternenklar. Ein Flugzeug hat die Landelichter gesetzt.
Da taucht wie aus dem Nichts Wolf Kleinhaupt auf. Seine Bewegungen sind langsam, wie in Zeitlupe. Er hat schon eine ganze Weile unter den Bäumen gesessen und Siggi zugesehen. Jetzt löst er sich aus ihrem schwarzen Schatten und tritt gemessenen Schrittes auf Siggi zu.
„Lass den Quatsch“, sagt er.
Siggi zuckt zusammen, wirbelt herum und sieht ihn.
„Du?“
„Ja. Ich wusste, dass du kommen würdest.“
„Hast du Angst um die Waffe?“, fragt Siggi giftiger als er eigentlich will und fügt rasch hinzu: „Ich bring sie zurück und kauf neue Munition.“
„Ich mache mir Sorgen um dich, Siggi.“
Siggi ist baff. „Um mich?“
„Wer verliert schon gerne seinen besten Mann, kurz bevor die Schlacht beginnt?“
Wolf setzt sich mit überkreuzten Beinen ins Gras. Er will entspannt wirken.
Siggi überlegt einen Moment, dann platziert er sich in gleicher Haltung Wolf gegenüber. Aber er kann nicht stillsitzen, ruckelt ständig hin und her. Erst tut ihm die linke Arschbacke weh, dann schläft die rechte ein.
Nach einer langen Zeit des Schweigens sagt Wolf: „Du hast keine Chance, Siggi. Sie knallen dich ab, wenn du mit dem Ding da reingehst. Also … warum?“
Entgeistert starrt Siggi Wolf an. Hat der wirklich gefragt: Warum? Gut, man kann darüber diskutieren, ob es der richtige Zeitpunkt ist, oder mit welchen Mitteln es am besten geht, aber doch nicht: Warum?
Plötzlich kämpfen zwei Stimmen in Wolf. Eine keifige, die ihn kleinmacht, zum Nichts,
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