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Samtheiß

Samtheiß

Titel: Samtheiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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war schnell klar, daß seine Schweigsamkeit sich nur auf smalltalk und Höflichkeitsfloskeln erstreckte. Sobald es um Jazz ging, drückte er sich mit leidenschaftlicher Genauigkeit aus. Ich für meinen Teil habe immer schon viel Musik gehört und weiß, was mir gefällt.
    Von oben kam der nasale Monolog Bob Dylans, während Conrad und ich verschiedener Meinung waren. Er bewunderte den kargen, modernen Ton von Albert Ayler, während ich Ayler zu abstrakt, zu kalt fand. Die leidenschaftliche, wütende Kraft von Charlie Mingus war mehr nach meinem Geschmack. Conrad fand ihn »zügellos«, mit »brillanten Zügen«, wie er sagte, »aber undiszipliniert«. Conrad erklärte mir feinfühlig und nicht von oben herab, daß die dichteste und experimentierfreudigste Musik, die von schwarzen Musikern gemacht wurde, kein Jazz, sondern »schwarze klassische Musik« sei, und ich erinnerte mich, daß er aus New York kam, wo solche Urteile üblich waren.
    John, der lieber Joan Baez hörte, klinkte sich bald aus dem Gespräch aus und konzentrierte sich auf das Schachspiel. Ohne direkt danach zu fragen, erfuhr ich den Grund für Conrads Muskeln. Etwas widerstrebend erzählte er mir, daß er auf der Highschool in der Bronx Football gespielt hatte und nun ab und zu mit Gewichten trainierte.
    »Schachmatt!«
    Conrad schaute erst verblüfft, dann amüsiert, und seine Augen suchten die meinen.
    John war zufrieden. Wir saßen zu dritt noch eine halbe Stunde zusammen, tranken Kaffee, rauchten Zigaretten und redeten über den Studentenstreik am San Francisco State College. Der Streik war ausgerufen worden, um von der Verwaltung eine Abteilung für Schwarze Studien zu erzwingen. Die Schwarzen Panther waren auch involviert. Es klang stürmisch und aufregend, und Conrad war mitten im Geschehen. Ich erzählte ihm, daß ich als Streikposten vor Denny’s aufgestellt war, wohin ich jeden Abend nach meinem Sekretärinnenjob bei einer Auto-Leasing-Firma in der Stadt ging.
    John, der die Arbeit in der Volksschule auf gegeben hatte, um in einem Programm für sozial benachteiligte Kinder im Vorschulalter mitzuarbeiten, erzählte Conrad von seinen Erfolgen und Frustrationen. Wir drei waren in den meisten Dingen einer Meinung. Wir würden Freunde sein.
    Bald spielten Conrad und ich miteinander Schach. Wir saßen uns am Schachbrett gegenüber, Conrad vor sich hinbrütend, mit krummem Rücken. Seine Augen huschten wie schwarze Kaninchen zwischen den Figuren hin und her. Wir rauchten pausenlos und griffen ab und zu neben das Brett zum Aschenbecher. Wir rauchten, um Zeit zu gewinnen, um in uns zu gehen, um unseren hungrigen Lippen etwas zu tun zu geben. Wie ich seinen Mund mit Blicken verschlang... Die Oberlippe mit einer kleinen Kerbe in der Mitte, die Unterlippe feucht und glänzend. Er wußte, daß ich ihn ansah. Und wenn er sich traute, mir in die Augen zu sehen, verschlug es uns beiden den Atem, und wir widmeten uns schnell wieder den Schachfiguren. Die Luft zwischen uns war so lustgeschwängert, daß ich bis heute nicht verstehe, wieso sie sich nicht entzündete, wenn wir uns eine neue Zigarette ansteckten.
    Wenn wir beide zur gleichen Zeit nach unseren Zigaretten griffen, berührten sich manchmal unsere Fingerspitzen. Dieser kurze Kontakt war wie ein elektrischer Schlag, und für einige Augenblicke waren wir gelähmt, vor den Kopf geschlagen, und konnten nicht weiterspielen.
    Wie gesagt, John hatte mir Schachspielen beigebracht, während wir in Afrika waren. Damals arbeiteten wir in einem entlegenen Dorf, wo es zu meinem Bedauern keine Steckdose für den Plattenspieler gab. Während der langen schwülen Abende saßen wir vor unserer Hütte und spielten Schach, vom halben Dorf beobachtet.
    Im ersten Jahr gewann ich kein einziges Spiel gegen ihn. John sagte mir, das sei völlig normal. Nun, nach drei Jahren Ehe, gewann ich zumindest jedes zweite und manchmal sogar zwei hintereinander. Ich sah zu, wie Conrads Hand die Dame hochhob und über dem Brett schweben ließ. Seine Hand war kräftig, am Gelenk von schwarzen Haaren gesäumt, mit breitem Rücken und schmalen Fingern. Seine Fingernägel waren immer sauber und gerade geschnitten. Er räumte meinen Läufer seiner Königin aus dem Weg und setzte sie auf dessen Feld. Dann griff seine Hand nach der Zigarette im Aschenbecher und führte sie zum Mund. Ich beobachtete seine sich spitzenden Lippen, als er inhalierte; dann quoll der Rauch aus seinem offenen Mund, wo seine gleichmäßigen Zähne schimmerten und

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