Samtheiß
entspannt, umschmeichelt von der Vertrautheit dieser alten Melodie, die die ganze Zeit im Hintergrund spielte, wie alltäglich, wie das Saxophon jetzt süß über sie streicht, sie berührt und mit ihr spielt, um sie schließlich an das Piano weiterzureichen. Conrads Stimme vibriert, als er sagt: »Oh, ich bin ja so froh.«
Das ist alles, was zwischen uns gesprochen wurde, bis die Nacht den Raum erfüllte, unsere Mägen knurrten und wir diese Platte bestimmt fünfzigmal gehört hatten. Dann standen wir auf und aßen. Ich erinnere mich, wie er nackt auf einem Küchenstuhl saß, einen Hamburger aß, sein Schwanz schlapp auf seinem behaarten Schenkel lag und sein Gesicht mich verträumt anlächelte.
Wir verbrachten das ganze Wochenende im Bett, liebten uns und ruhten aus, rauchten und liebten uns und sprachen wenig. Sonntag abend ging er wieder nach oben, und ich fuhr zum Flughafen, um John abzuholen.
Zwei Wochen später fuhr er an die Ostküste, sein Abschiedsbesuch wurde durch Johns Gegenwart beklemmend. Aber das Band zwischen uns ist niemals gerissen. Wir haben uns in den letzten zwanzig Jahren zweimal gesehen, jedesmal konnten wir uns nur über große Entfernung schreiend verständigen. Aber mindestens zweimal im Jahr kommt ein Brief von ihm, über seinen Beruf, seine Frau, seine Kinder und über die Musik, die er jetzt mag. Und ich schreibe ihm Dinge, die ich niemandem sonst erzählen würde, denn ich weiß, daß er meine Geständnisse mit Liebe aufnehmen wird und froh ist, mit mir zusammen auf dieser Welt zu sein.
Das Schachspielen habe ich übrigens aufgegeben.
Nach einiger Zeit hat es mich nicht mehr interessiert. Mein jetziger Ehemann würde erstaunt die Augenbrauen hochziehen, wenn ich ihm ein Spiel vorschlagen würde. Aber ich täte das sowieso nicht. Wer könnte schon Conrad als Partner das Wasser reichen? So unvergleichlich herausfordernd. Und befriedigend.
AUDRE LORDE
Mein Name hat einen neuen Klang
G erri war jung und schwarz und lebte in Queens und fuhr einen hellblauen Ford, den sie Bluefish nannte. Mit ihren sorgsam frisierten Haaren und den Männerhemden und grauen Flanellhosen sah sie ziemlich spießig aus, was aber gar nicht mehr stimmte, wenn man sie erst einmal richtig kennengelernt hatte.
Eingeladen von Gerri, und häufig auf ihren vier Rädern, waren Muriel und ich oft auf Wochenendparties in den Häusern verschiedener Frauen in Brooklyn und Queens.
Eine der Frauen, die ich auf diesen Parties getroffen hatte, war Kitty.
Als ich Kitty viele Jahre später wiedertraf - im Swing Rendezvous oder im Pony Stable oder dem Page Three, auf meiner Runde durch die zweitklassigen Lesbenbars, die ich in jenem traurigen Frühling des Jahres 1957 alleine zu machen pflegte, fiel mir der Duft der grünen Sommernacht in St. Albans im New Yorker Stadtteil Queens sofort wieder ein, der Geruch von Schonbezügen aus Plastik und Brandy und Haaröl und Frauenkörpern auf der Party, auf der wir uns begegnet waren.
In jenem Holzhaus mit Steinfassade in Queens war der holzverkleidete Partykeller voller Leben und lauter Musik, gutem Essen und schönen schwarzen Frauen in allen möglichen Aufmachungen.
Man sah Kammgarnanzüge über stärkeglänzenden Hemdkragen, die als Zugeständnis an die hochsommerlichen Temperaturen aufgeknöpft waren, und weiße Garbardinehosen mit Bundfalten oder schmalgeschnittenes Elitecollege-Styling für die besonders Schlanken.
Man sah weizengelbe Cowden Jeans, die große Mode in jenem Sommer, mit messerscharfen Bügelfalten, und, sogar schon damals, das eine oder andere Paar graue Hosen mit Schnallen über sorgfältig geweißten Wildlederschuhen. Es gab jede Menge Militärgürtel aus den Army-Stores, breite schwarze Ledergürtel mit glänzenden dünnen Schnallen, und Oxfordhemden aus dem neuen, bügelfreien Dacron, steif, durchsichtig und raschelnd. Diese Hemden, kurzärmelig und im Herrenschnitt, steckten in Hosen mit Gürtel oder in hautengen Röcken. Nur das eine oder andere Jerseystrickhemd wurde darüber getragen.
Bermudashorts und ihre kürzeren Ausgaben, die Jamaikas, kamen damals gerade in Mode in der Lesbenszene, deren Regeln ebenso hart waren wie die der 7th Avenue oder von Paris. Diese Shorts wurden sowohl von den Butches als auch von den Femmes 1 getragen und fanden deshalb nur langsam den Weg in die Garderobe modebewußter lesbischer Frauen -wegen der Signale. Die Art der Kleidung war oft die wichtigste Form, die gewählte sexuelle Rolle zu signalisieren.
In jenem
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