Samtpfoten im Schnee
bereits am Frühstückstisch saß, als er herunterkam.
Sie hatte neben Layton Platz genommen und stand unüber-sehbar im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der anderen, die sie nach ihrem Wohlergehen fragten und wissen wollten, wie es zu dem Unfall gekommen war.
»Dürft Ihr denn schon so bald wieder aufstehen?«, fragte Lady Helen.
»Es geht mir gut«, versicherte Meghan. »Ich habe zwar eine Beule am Kopf, und frisiert zu werden ist zurzeit eine ganz neue Erfahrung, aber ich bin gewiss, dass diese Unannehmlichkeit nur vorübergehend sein wird.«
»Das Mädchen ist zäh«, bemerkte Travers zu seiner Verlobten, und zwar so laut, dass jeder am Tisch es hörte. »Ein echtes Vollblut.«
Diese Bemerkung rief eine allgemeine Heiterkeit hervor, und Justin lächelte Meghan an, wobei er ihren Blick für einen kurzen Augenblick gefangen hielt. Dann wandte er sich ab, um seinen Teller zu füllen und an der anderen Tischseite Platz zu nehmen.
»Der Plan für den heutigen Tag sieht vor«, verkündete Irene, »dass die Gentlemen unter Euch, die sich daran beteili-gen möchten, uns das Weihnachtsscheit bringen. Das zu-nächst aber noch gefunden werden muss.«
»Keine Sorge, meine Liebe«, beruhigte ihr Ehemann sie.
»Man hat es bereits gefunden. Es geht nur noch darum, es hierher zu schaffen. Wir werden aber trotzdem unsere Ge-wehre nehmen und sehen, ob wir uns nicht auch so die Zeit im Wald ein wenig vertreiben können.«
»Ich vermute sehr, dass bei diesem Zeitvertreib auch ein Krug Brandy mit im Spiel sein wird«, bemerkte Irene an die Damen gewandt.
»In dem Fall werde ich gern daran teilnehmen«, verkündete der junge Islington schelmisch.
»Pass nur auf, dass du es nicht übertreibst, mein Sohn«, ermahnte ihn seine sonst sehr zurückhaltende Mutter. Auch diese Worte lösten allgemeines Gelächter aus, besonders unter den Herren. Es war gut bekannt, dass David Islington nach einem wilden Trinkgelage in Oxford der Universität verwiesen worden war. Er nahm die anzüglichen Bemerkungen der Herren mit Gleichmut hin und bedachte sie alle mit einem selbstsicheren Grinsen.
Die geplante Exkursion sollte bald beginnen, und Justin entging es nicht, dass Meghan und Layton noch in angeregter Unterhaltung bei einer weiteren Tasse Kaffee verweilten.
Er versuchte zu vermeiden, dem allzu große Bedeutung bei-zumessen. Während des Ausflugs bildeten er und Layton dann die Nachhut und hielten sich in einigem Abstand von den anderen.
»Nun sag«, begann Justin, und sein Ton klang vielleicht eine Spur zu munter, »ist Travers der einzige Mann, dem wir bei diesem Weihnachtsfest viel Glück wünschen werden?«
»Das weiß ich nicht. Ist er das?«, forderte Layton ihn mit der Gegenfrage heraus.
»Du und Mrs. Kenwick - vielleicht?«
»Ich und Mrs. Kenwick? Du übertreibst, Justin«, erwiderte Layton barsch. Er schwieg. Als er weitersprach, schwang Bedauern in seiner Stimme mit. »Ich habe es versucht. Aber sie wollte einfach nichts davon wissen.«
»Oh?«
»Meghan hat der Ehe abgeschworen. Zumindest sagt sie das. Wahrscheinlich glaubt sie es sogar. Ich denke, Kenwick hat sie zutiefst verletzt.«
»Willst du damit sagen, er hat sie misshandelt?« Der Gedanke machte Justin wütend.
»Ich denke nicht, dass er sie geschlagen oder körperlich misshandelt hat. Aber du weißt ja selbst, dass wir sie nach ihrer Hochzeit nur noch selten gesehen haben. Und das, obwohl sie in der Saison vor ihrer Ehe sehr viel ausgegangen ist. Und aus den Bemerkungen, die sie gemacht hat, schlie-
ße ich, dass er sie sehr heruntergesetzt hat, sowohl in Gesellschaft als auch im Privaten.«
»Er konnte manchmal eine recht boshafte Art an sich haben.«
»Meine Meinung ist«, sagte Layton nachdenklich und scheinbar jedes Wort abwägend, »dass Kenwick eine strahlende Ballschönheit geheiratet hat und dann feststellen musste, dass er sich an eine Frau gebunden hatte, die über weit mehr Intelligenz und Charakterstärke verfügte, als er je gehabt hatte.«
»Und er konnte es nicht ertragen, nur der Zweitbeste zu sein. Willst du das damit sagen?«, fragte Justin.
»Das ist es, was ich denke«, stimmte Layton zu. »Und schon gar nicht im Vergleich zu einer Frau. Und deshalb hat er sie unterdrückt, sie ihres Selbstbewusstseins beraubt -
das sie nun zurückgewonnen hat.«
»Dieser Bastard!« Zu spät wurde Justin bewusst, wie viel seine heftige Reaktion enthüllt haben musste.
Layton sah ihn wissenden Blickes an. »Genau. Was immer du tust, Wingate, tu ihr
Weitere Kostenlose Bücher