Samtpfoten im Schnee
nicht weh.«
Justin unterdrückte die flapsige Antwort, die er in einem anderen Fall vielleicht gemacht haben würde. Stattdessen schaute er den Freund verständnisvoll und mitfühlend an.
»Ich werde mich bemühen, das nicht zu tun.«
Die Weihnachtsfeierlichkeiten nahmen ihren unaufhaltsa-men Gang. Man vertrieb sich die Zeit mit dem Abbrennen des Weihnachsscheites, man verkleidete sich, und man sang Weihnachtslieder. Der Weihnachtsmann kam, angetan mit einem langen roten, pelzgesäumten Mantel, und verteilte Bonbons, Nüsse und Orangen. Für die Kleinen gab es als besondere Gabe zudem ein kleines Spielzeug, ein Puzzle oder ein Buch, das für jedes Kind mit viel Bedacht ausgewählt worden war. Joys Geschenk war eine kleine Porzellankatze, die große Ähnlichkeit mit ihrem Schneeflöckchen hatte.
Justin überraschte Meghan damit, dass er sie bat, ihm in die Bibliothek zu folgen, wo er sie - ungestört von den anderen - mit der Doppelgängerin von Joys Porzellankätzchen beschenkte.
»Um Euch daran zu erinnern, nicht herumzuspazieren und auf Bäume zu klettern«, neckte er Meghan.
»Ich würde diesen Unfall eher als eine gute Tat ansehen, die misslungen ist«, erwiderte sie.
»Etwas Gutes hatte er doch«, sagte Justin. »Ob es nun die Rückkehr ihrer geliebten Katze war oder der Schreck darü-
ber, ihre geliebte Tante Meg in Gefahr zu sehen - Joy hat wieder gesprochen.«
»Ja, man kann in der Tat sagen, dass dieser Sturz auch sein Gutes hatte. Und ich danke Euch für diese nette Erinnerung.«
Justin wünschte sich nichts mehr, als Meghan in die Arme zu nehmen und sie zu küssen, bis sie beide außer Atem wä-
ren. Aber zum ersten Mal, seit er ein stammelnder, linkischer heranwachsender junger Mann gewesen war, fühlte Justin Wingate sich einer Frau gegenüber unsicher. Er hatte versprochen, ihr nicht weh zu tun, und er spürte eine Verletzlichkeit in ihr, die sein Herz nahezu zerriss.
Und so ging dieser Augenblick vorüber. Meghan entschuldigte sich damit, Irene dabei helfen zu müssen, die Körbe fertig zu machen, die am Saint-Stephens-Tag, dem Tag nach Weihnachten, verteilt werden sollten. Justin blieb allein mit sich zurück und zankte sich dafür aus, diese Gelegenheit nicht beim Schopfe gepackt zu haben.
Denn Justin hatte begonnen, nachdem er seinen Irrtum entdeckt und festgestellt hatte, dass zwischen Meghan und Layton keine glühende Romanze im Gange war, der Witwe den Hof zu machen. Er suchte bewusst ihre Gesellschaft -
für einen Spaziergang im Garten oder eine Schlittenfahrt.
Während dieser Ausflüge unterhielten sie sich angeregt, wobei ihre Themen vom Trivialen bis zum Profunden reichten.
Er kannte keine Skrupel, Joy vorzuschieben, um Zeit mit Meghan verbringen zu können. Er unternahm seine Spaziergänge mit Joy und den andern Kindern immer zu den Zeiten, von denen er wusste, dass Meghan sie würde begleiten können.
Justin hatte geglaubt, seine Werbung sei dezent genug, um nicht die unerwünschte Aufmerksamkeit der Außenstehenden zu erregen. Er hätte es besser wissen müssen. Genauer gesagt, er hätte Irene besser kennen müssen.
»Kann ich dich sprechen, Justin?«, hatte sie ihn am zweiten Morgen seines >Feldzuges< gefragt. Sie führte ihn in ihren Salon und bedeutete ihm, sich zu setzen, während sie in einem Fauteuil ihm gegenüber Platz nahm.
»Was ist los?«, fragte Justin, der erwartete, dass es irgendwie um etwas ging, das mit den Kindern zu tun hatte.
»Was hast du mit meiner Freundin vor?«, fragte Irene oh-ne Umschweife.
»Mit deiner Freundin?«
»Verkauf mich nicht für dumm, Justin Wingate. Du weißt sehr wohl, dass ich von Meghan spreche.«
Er grinste. »Willst du etwa wissen, ob meine Absichten ehrenhaft sind?«
»Wenn du es so formulieren möchtest -ja.«
»Nun, um es so zu formulieren - ja, das sind sie. Warum fragst du?«
»Weil ich nicht möchte, dass man Meghan wehtut. Nicht noch einmal.«
»Das würde ich nicht tun«, sagte er ernst.
Irene warf ihm einen langen, durchdringenden Blick zu, den er erwiderte. »Grundgütiger! Du liebst sie wirklich, nicht wahr?«
»Ja ... ich fürchte, ja.«
»O Justin ...«Ihr Ton klang eher traurig als glücklich.
»Was ist? Ist das so falsch?«
»Überhaupt nicht falsch, aber ich bin nicht sicher, ob Meghan bereit ist, wieder zu lieben.«
»Sie liebt doch auch Joy.«
»Das ist etwas anderes, und das weißt du«, entgegnete Irene.
»Nun, ich bin nicht Burton Kenwick«, knurrte Justin.
»Und Meghan ist nicht
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