Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
ausgerissen hatte. „Du willst glauben, dass ich unschuldig bin. Ich bin es nicht. Ich bin für ihren Tod verantwortlich. Es war mein verdammter Fehler.“
„Warum?“ Sie fühlte sich furchtbar entblößt und unbehaglich – so nackt. Also zog sie die Beine an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie kann es dein Fehler sein?“
„Sie wurde meinetwegen getötet. Von meinem Onkel. Oder meinem Cousin. Von Craven oder Barrett. Verdammt, wer war es? Ich werde dem Unhold mit bloßen Händen das Herz herausreißen.“
Er stürmte zur Tür und griff auf dem Weg dorthin nach seinem Hemd. Craven oder Barrett? Hatte er die beiden schon damals, vor vielen Jahren, gekannt?
War er dabei, verrückt zu werden? Die Anschläge auf sein Leben, dieser Albtraum aus seiner Vergangenheit – brachte ihn all das um den Verstand?
„Dash!“ Ohne darauf zu achten, dass das Laken herunterrutschte und ihre Brust nicht mehr bedeckt war, streckte sie den Arm nach ihm aus. „Warte. Bitte.“
Er blieb jedoch nur stehen, um den Schlüssel umzudrehen und die Tür zu öffnen.
„Halt! Du kannst nicht einfach so losstürmen!“ Was, wenn er Craven oder Barrett offen beschuldigte und sie ihn töteten? Sie sprang vom Ruhebett und hob ihr Kleid auf, das als seidiges Durcheinander am Boden lag. Prompt verwickelte sie sich in den Röcken, während sie vergeblich nach dem Mieder suchte.
Als Dash die Tür öffnete, hielt sie sich das zerdrückte Kleid vor den nackten Körper. „Sie werden dich töten.“
Endlich wandte er sich um. Seine Wangen waren hohl, mit scharf hervortretenden Wangenknochen, den Mund hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Und was, wenn ich dir sage, dass ich den Tod verdient habe? Ich habe getötet. Ich habe den Sohn meines Onkels umgebracht. Meinen ältesten Cousin. Er war unschuldig, und ich sah zu, wie er starb.“
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Noch immer ihr Kleid umklammernd, kauerte Maryanne sich hin, als wäre sie geschlagen worden. Tränen brannten in ihren Augen und flossen gleich darauf in Strömen über ihr Gesicht.
Er hatte unrecht. Sie war nichts anderes als eine verschreckte kleine Maus, die sich in ihrem Mauseloch verstecken wollte.
Entschlossen wischte sich Maryanne die Tränen ab. Sie würde sich nicht in einer Ecke zusammenrollen und zulassen, dass Dash entweder erschossen wurde oder den Verstand verlor.
Weil er ihr gesagt hatte, sie müsse ihm vertrauen, hatte sie ihm ihre Geheimnisse anvertraut.
Ihr Blick fiel auf die juwelenbesetzten Handschellen. Sie würde ihn zwingen, ihr ebenfalls zu vertrauen und ihr alles zu erzählen, selbst wenn sie ihn dafür fesseln musste.
Vier kleine Betten, ohne Kissen und Decken, standen in einer Reihe. Und eine Wiege. Maryanne legte die Hand auf die Wiege und bewegte sie auf ihren Kufen sachte hin und her. Als sie die leeren Bettchen anschaute, wurde ihr das Herz schwer.
In wenigen Monaten würde sie sich über ihr Baby in der Wiege beugen und es in den Schlaf wiegen.
Und was, wenn ich dir sage, dass ich den Tod verdient habe?
Natürlich war Dash nicht hier oben, aber sie hatte ihn auch nirgendwo anders im Haus gefunden. Und es war ihr peinlich gewesen, die Dienstboten nach ihm zu fragen. Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo Seine Lordschaft hingegangen ist, nachdem er wie ein Wilder von mir weggerannt ist?
Als sie im Haus Lady Yardley begegnet war, hatte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und war weggelaufen. Noch viel schlimmer war, dass die Ankunft des Duke of Ashton kurz bevorstand und die Dienerschaft bereits in heller Aufregung war. Sir William war ihr auf ihrer Suche nicht begegnet, und sie betete im Stillen, dass der Baron mit Dash zusammen war und ihn in einem ernsten Gespräch wieder zur Vernunft brachte.
Bestand wirklich die Gefahr, dass ihr Ehemann den Verstand verlor? Hatten ihn sein Zorn und die Schrecken, die ihm widerfahren waren, so verwirrt, dass er die Vergangenheit – den Mord an Miss Westmoreland – und seine gegenwärtigen Ermittlungen gegen Craven durcheinanderbrachte?
„Maryanne?“
Als sie unerwartet die Stimme draußen vor der Tür hörte, fuhr sie herum und schlug mit der Hand gegen die schaukelnde Wiege. Mühsam einen Schrei unterdrückend, schaute sie Anne entgegen, die soeben in das Kinderzimmer trat.
„Ich habe dich überall gesucht, Maryanne. Ich dachte, wir wollten die Dekoration planen.“
Weihnachten. Anne wollte Pläne für Weihnachten machen, und Maryanne hatte völlig vergessen,
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