Samtschwarz - Page, S: Samtschwarz
scheint es mir, als fragtest du dich, ob ich einer sei. Aus welchem Grund wärest du sonst hier, wenn es nicht darum geht zu warten, bis ich versehentlich etwas sage, mit dem ich mich selbst belaste?“ Dash umklammerte sein leeres Glas fester. „Du hast mir erzählt, zwei Kurtisanen hätten ausgesagt, ich hätte Eliza Charmody von Craven weggelockt“, fuhr er fort. „Eine der beiden war Georgiana Watson, und nun hat sie London verlassen, um einem Earl hinterherzureisen, angeblich Craven. Die andere Kurtisane ist spurlos verschwunden. Was Sir Percy Whitting und Lord Yale betrifft, sind sie nicht gerade das, was man als zuverlässige Zeugen ansehen würde. Es scheint so, als hätten sie nicht mit eigenen Augen gesehen, dass ich die Schauspielerin mit in meine Kutsche nahm. Sie haben der Erzählung eines anderen Mannes geglaubt, den sie nicht kannten und dessen Namen sie nicht nennen können – und dieser unbekannte Mann behauptete, er habe gesehen, wie ich sie mitnahm.“
Und Verity, die erklärt hatte, Georgianas Freundin zu sein, hatte keine Ahnung gehabt, dass ihre Freundin nicht mehr in London war. War das der Beweis, dass Georgiana Watson an dem Komplott gegen ihn beteiligt war, mit dem man ihm Entführung und Mord unterschieben wollte? War das der Beweis für Veritys Unschuld?
Sir William stellte sein Cognacglas, aus dem er kaum etwas getrunken hatte, neben die Karaffe. „Lass uns in den Park gehen, Swansborough. Ich möchte, dass du sie siehst.“
Vergilbendes Laub stob raschelnd um den Tatort herum, der Dash inmitten der Schönheit des Hyde Parks einen bizarren und Übelkeit erregenden Anblick bot. Eine Gruppe Männer stand wartend herum, zwei von ihnen trugen die scharlachrote Weste der Bow Street Runner, der Berufspolizei, die in der Bow Street ihr Hauptquartier hatte.
Der Kreis öffnete sich für Dash, sodass er in die Mitte treten konnte, dann schloss er sich wieder um ihn herum.
Selbst als er auf den Körper hinunterblickte, hämmerte der Satz immer noch in seinem Kopf. Nicht Verity. Nicht Verity. Dem Teufel sei Dank, dass sie es nicht ist.
Mit seinen behandschuhten Fingern berührte er Eliza Charmodys Haar, eine wirre Masse blonder Locken, die sich im Dreck ausbreitete. Über ihrem Gesicht und ihrem Körper lag eine Decke, die er mit einer raschen Handbewegung lüftete, sodass die blauen und roten Verfärbungen an ihrer Kehle sichtbar wurden. Sie lag im Gras, nackt, mit nach hinten gezogenem Kopf, sodass ihre ungeschützte Kehle wie ein langer weißer Stab wirkte.
Als er die unzähligen roten Kratzer und Bisse an ihren nackten Brüsten sah, zog sich Dashs Magen zusammen. Sein Blick glitt tiefer, und er hätte fast den Cognac herausgewürgt, der in seinen Eingeweiden blubberte. Sie war mit einem Messer aufgeschlitzt worden, in einer langen, geraden Linie, die vom Nabel bis zum Schamhügel verlief.
Entsetzt ließ er die Decke fallen. Herr im Himmel, was für ein Sadist tat einer Frau so etwas an?
Stiefel knirschten auf dem Gras, und er sah in Richtung des Geräuschs. Die Stiefel, die Sir William gehörten, wippten neben einem schwarzen Stoffstreifen auf und ab.
Eine seiner Krawatten, oder eine, die so gefärbt worden war, dass sie aussah wie eine von seinen? Diese Frage war wichtig. Wenn es tatsächlich seine war, hatte sie jemand entwendet, der Zugang zu seinem Haus hatte. Oder ein Wahnsinniger, der einzig und allein in der Absicht, den Verdacht auf ihn zu lenken, einen Einbruch gewagt hatte.
Gegen die Sonne blinzelnd, sah er Sir William an. „Sie wurde erdrosselt, aber warum hast du mir den … den Rest verschwiegen?“
„Du hast gefragt, wie sie gestorben ist. Die Verstümmelung wurde erst hinterher vorgenommen.“
Die Krawatte war kühl und feucht vom Tau – er suchte nach seinem eingestickten Zeichen, konnte es aber nicht finden. „Es ist keine von meinen.“
„Wen hast du auf der Schnitzeljagd zu den verschwundenen Frauen befragt, Swansborough?“ Sir William hatte ein leinenes Taschentuch hervorgezogen, mit dem er nun seine Brillengläser reinigte.
„Du glaubst, ich habe jemanden nervös gemacht – und dass sie sich auf diese Weise rächen wollen?“ Mit seinen behandschuhten Fingern streifte Dash das kalte Gesicht der Frau. Ins Angesicht des Todes – seines eigenen Todes – zu blicken war etwas, womit er umgehen konnte. Das hatte er schon mehrmals getan. Aber das hier konnte er nicht ertragen. War diese wehrlose Frau einzig und allein getötet worden, um die Schlinge um
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