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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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würde auch diese Enttäuschung verkraften.
    Wo also würde der Kampf stattfinden? Eine Jacht im Sturm war ein lausiger Kampfplatz. Es war überall eng; das Boot stampfte und schlingerte, und man trug nasse, unförmige Regenkleidung. Eine Pistole in der Jacke zu verbergen, war nicht weiter schwer, sie schnell zu ziehen viel schwieriger. Und stabil genug zu stehen, um einen akkuraten Schuss abzugeben, war nahezu unmöglich.
    Die Schlüsselstelle war die Luke mit der Leiter zwischen Deck und Kabine. Wer sich dort befand, war ein leichtes Opfer. In den nächsten Stunden würde ein stiller Wettbewerb um die richtige Position stattfinden, an dem zwei, vielleicht sogar drei Männer teilnahmen, bis schließlich der Moment kommen würde, wo einer von ihnen die Karten auf den Tisch legte. In der Zwischenzeit hatte Carver vor, seine Gewinnchancen zu erhöhen.
    Wo die Regenkleidung verstaut gewesen war, fand er auch, was er später einsetzen würde. Fürs Erste jedoch wollte er sich nett und zivil verhalten, als glaube er noch immer, dass sie alle gute Freunde waren, sie drei gegen den Rest der Welt … wie in alten Zeiten.
    Er ging zur Leiter zurück und steckte den Kopf durch die Luke.
    »Hat jemand Lust auf eine Tasse Kaffee?«
    Er nahm die Bestellungen auf und setzte den Wasserkessel auf den Gaskocher. Er füllte drei Henkelbecher, gab wie gewünscht Milch und Zucker dazu und brachte sie nach oben. Jetzt blieb nur noch eines zu tun.
    Der Mast einer Jacht wird von Tauen oder Wanten gehalten, die sich von der Bordwand bis zur Spitze erstrecken. Sie werden durch zwei horizontale Spieren straff gespannt. An der Backbordspiere hing ein weißer, etwa fünfundvierzig Zentimeter großer Plastiktopf, der als Radarreflektor diente und den vorbeifahrenden Schiffen die Position der Jacht mitteilte. Er war mit einem Seil an einer Klampe am Fuß des Mastes festgemacht.
    Carver löste das Seil und rief, während er es in der Hand behielt, zum Cockpit: »Tut mir leid, Bobby, der muss verschwinden.«
    »Was redest du da?«, rief Faulkner zurück.
    »Ich darf auf keinem Radarschirm auftauchen.«
    »Bist du völlig verrückt geworden? Wir überqueren bei Nacht die meistbefahrene Schifffahrtsstraße der Welt. Hier passieren fünfhundert Schiffe pro Tag, und wenn uns nur eins davon streift, ist das, als würde ein Elefant auf eine Streichholzschachtel treten. Wir werden sinken. Dann wirst du dieses verdammte Land nie wieder betreten, und wir auch nicht.«
    Carver setzte ein unbekümmertes Na-und-Grinsen auf. »Dann müssen wir eben die Augen offen halten, meinst du nicht?«

59
    Aliks war allein im Dunkeln. Bisher war sie gut behandelt worden. In der ersten Nacht hatte Juri sie in Ruhe schlafen lassen. Überraschenderweise. Das war nicht sein übliches Vorgehen. Während des folgenden Tages war sie eindringlich, aber höflich, auf geradezu kultivierte Art befragt worden. Wie war sie dem Mann begegnet? Warum war sie mit ihm gegangen? Warum hatte sie ihn nicht getötet? Hatte sie es wenigstens versucht? Da sie ihn am Leben gelassen hatte: Was hatte sie von ihm erfahren können? Wo befand sich der Computer jetzt? Und was hatte sie verraten?
    Nur diese letzte Frage war mit einem gewissen Unterton gestellt worden, der kaum verhüllte, dass es nicht nur um Informationen ging. Doch sie war nicht misshandelt worden. Das Hauspersonal begegnete ihr mit dezenter Vertrautheit, mehr als wäre sie ein Gast und keine Gefangene. Sie hatte das gleiche Essen bekommen wie alle anderen auch, hatte den gleichen Wein trinken dürfen.
    Allerdings war ihr klar, dass das nicht so bleiben würde. Früher oder später würde Juri Schukowskis Geduld zu Ende sein. Er würde nach tiefergehenden Dingen fragen, und es wäre ihm gleichgültig, was er ihr antun müsste, um eine Antwort darauf zu bekommen. Früher oder später würde ihn der Unterhaltungston langweilen, er würde von physischen Methoden Gebrauch machen.
    Juri handelte unter enormem Druck, das war offensichtlich. Irgendwo in seinem weiten Netz von Verbindungen, die sein geschäftliches Imperium bildeten, braute sich eine Krise zusammen. Er hatte sich stundenlang in sein Arbeitszimmer eingeschlossen, um seine übergeordneten Komplizen anzurufen und mit Kunden zu verhandeln, während Aliks der eisigen Beobachtung Kursks überlassen blieb. Der verfolgte jede ihrer Bewegungen mit einem unversöhnlichen Hass, der nicht bloß ihr persönlich galt (was eigentlich schon genug gewesen wäre), sondern allem, das sie

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