Samuel Carver 01 - Target
und rote. Aliks würde ihre lange blonde Mähne verlieren. Schade. Aber möglicherweise lebensrettend.
»Was haben Sie gekauft?«, fragte sie, als er wieder einstieg. »Etwas, um sich zu schützen vielleicht? Falls Sie heute Nacht Glück haben?«
»Etwas um sich zu schützen, ja, aber für Sie.« Er ließ sie in die Papiertüte sehen. »Sie können sein, was Sie wollen, nur nicht blond.«
Carver sagte das, als wäre er auf Widerrede gefasst; doch Aliks regte sich nicht auf. »Gut. Ich bin nicht mehr dieselbe wie noch vor einer Stunde. Ich trage nicht mehr dieselben Sachen. Warum sollte ich da noch dieselben Haare haben?«
Sie erreichten das Ziel, das der Fahrer vorgeschlagen hatte: einen Club in einer Seitenstraße des Sebastopol. Es gab kein Schild, aber der Eingang befand sich unter einem hohen Türbogen. Zwei goldene Statuen antiker Frauen hielten zu beiden Seiten eine Laterne. An dem schwarz-goldenen Geländer vor dem Eingang drängten sich die Leute und bettelten um Einlass. Den Gesichtern nach zu urteilen, bettelten die meisten vergeblich.
»Verdammt!«, murrte Carver. »Das hätte ich mir denken können.«
Aliks schwieg. Sie wirkte völlig gelassen. Sie stieg aus dem Taxi, strich sich das Kleid glatt, warf die Haare zurück und ging geradewegs durch die Menschenmenge auf den Eingang zu.
An der Tür stand ein Rausschmeißer: zweihundertfünfzig Pfund westafrikanischer Muskeln in einem silbergrauen Anzug. Er sah Aliks kurz an; dann hakte er das Seil aus, das den Andrang bändigte. Sie hielt Einzug wie ein Filmstar.
Carver wollte hinterher. Der Türsteher hielt ihn auf. Carver neigte sich zu ihm und sagte ein paar Worte auf Französisch. Dann steckte er ihm etwas in die Brusttasche. Der Mann hielt einen Moment lang inne und ließ Carver schwitzen, dann winkte er ihn durch.
»Was haben Sie gesagt?«, fragte Aliks.
»Dass ich Ihr Leibwächter bin. Dann habe ich ihm hundert Dollar zugesteckt.«
»He! Ich bin es, die Ihnen das Leben gerettet hat, wissen Sie noch?«
»Entschuldigung. War mir kurz entfallen. Kommen Sie. Wir wollen etwas essen.«
Nach den ersten paar Schritten hatte Carver schon drei verschiedene Wege nach draußen entdeckt, hatte zwei Gruppen Männer bemerkt, die zur Bedrohung werden könnten, und eine Treppe, die zu einem Restaurantbereich führte. Ein Schein für den Oberkellner brachte ihnen einen Ecktisch ein, von wo aus sich der ganze Laden überblicken ließ. Wenn jemand ihretwegen hereinkäme, wäre er früh genug gewarnt. Carver gab Aliks die Apothekentüte. »Tun Sie, was nötig ist.«
»Es könnte eine Weile dauern.«
»Macht nichts. Ich gehe nirgendwohin.« Carver sah sie in der Damentoilette verschwinden. Dann winkte er eine Kellnerin heran und bestellte einen doppelten Johnnie Walker Blue Label ohne Eis. Er wusste nicht, wie viele Drinks es für ihn noch geben würde. Darum hielt er sich lieber an die guten.
17
Die Damentoilette erinnerte an die letzten Tage von Rom. In einer Kabine vögelte ein Pärchen. An einer Wand knutschten zwei Frauen. Eine andere Kabine wurde von einem Nordafrikaner im Iron-Maiden-T-Shirt als Verkaufsstand für Speed, Koks und Heroin benutzt.
Auf dem Waschbeckenrand schoben sich die Frauen das weiße Pulver zurecht, schnieften es und klopften sich verbliebene Stäube vom Nasenrand auf die Zunge. Ein paar konventionellere Typen gingen pissen, prüften ihr Makeup und redeten über die Männer, die sie eben zurückgelassen hatten.
Aliks fand ein freies Waschbecken. Kurz sah sie in den Spiegel, der über die ganze Wand verlief. Dann fing sie an zu schneiden. Ein paar Frauen sahen zu ihr herüber. Eine sprach sie auf Französisch an. Aliks machte ein paar verständnislose Gesten.
»Bist du verrückt?«, wiederholte die Frau auf Englisch. »Du schneidest die schönen Haare ab. Dein Kerl wird dich nicht wiedererkennen.«
»Genau«, erwiderte Aliks lächelnd.
Die Frau lachte. »Aber chérie, es muss doch einen leichteren Weg geben, um von ihm wegzukommen, n’est pas?«
»Vielleicht will ich von einem ganz anderen weg.«
»Okay, eine Frau mit Geheimnissen!«
Aliks machte sich wieder ans Schneiden. Als sie einen hübschen, kinnlangen Bob hatte, hörte sie auf. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und warf den Kopf hin und her, um zu sehen, wie sie fielen. »Nein«, murmelte sie, »zu langweilig.«
Nach ein paar Minuten hatte sie einen jungenhaften Kurzhaarschnitt. Sie blickte wieder in den Spiegel, diesmal zufriedener. Dann hob sie
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