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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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ihnen die Beats in den Ohren, dann herrschte Stille, die Deckenbeleuchtung war an und der DJ gab eine Nachricht auf Französisch durch, die in diesem Augenblick in allen Sprachen in jedem Winkel der Welt gemeldet wurde.
    »Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll«, begann er zögerlich und mit angestrengter Stimme. »Ich kann es nicht glauben, aber die Prinzessin von Wales ist tot. Sie wurde bei einem schrecklichen Autounfall tödlich verletzt, hier in Paris im Almatunnel. Sie wurde ins Pitié-Salpêtrière gebracht, doch die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun. Sie ist tot.«
    Der DJ schwieg zwei Augenblicke lang; dann sagte er: »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich jetzt spielen könnte.«
    Die Leute standen auf der Tanzfläche und blickten um sich, als bräuchten sie eine Anleitung, wie sie sich jetzt verhalten sollten. Langsam schwoll das Gemurmel zu einem lauten Stimmengewirr an. Viele stürmten zur DJ-Bühne. Man schrie nach mehr Informationen, verlangte, mit den Scherzen aufzuhören und weiterzumachen. Und dazwischen hörte man immer mehr Frauen schluchzen, die im Arm ihres Partners weinten oder sich vor Trauer zu Boden sinken ließen.
    Mittendrin stand Carver wie erstarrt, als wäre er im Strahl seines Blendlasers gefangen, unfähig, das Ausmaß des Geschehens zu begreifen. Er fühlte sich krank, war schweißnass, hatte einen schweren Kopf und hörte seinen Puls in den Ohren pochen. Er sah nur verschwommen und hatte Lichtblitze vor den Augen, die die Welt um ihn herum in Bruchstücke zerlegten. Sein Verstand entglitt ihm. Er rang um Halt wie ein Bergsteiger in der Steilwand, der gegen den Sog des Abgrunds kämpft. Dann endlich setzte sein Überlebensinstinkt wieder ein. Sowie er sich im Griff hatte, sank sein Puls, und er konnte ruhiger atmen.
    Carver beugte sich vornüber, die Hände auf die Knie gestützt, und ließ den Kopf hängen. Dann atmete er langsam und gleichmäßig aus und richtete sich auf, bereit, sich der Wahrheit zu stellen. Es war wirklich passiert, und er war der Mann, der es getan hatte. Die Tatsachen waren zwingend. Die Fernsehbilder in diesem Schaufenster, die von dem Verkehrsunfall im Almatunnel zu der Prinzessin im Urlaub übergeblendet hatten, waren nicht mehr misszuverstehen.
    Carver dachte an den Moment zurück, wo er in der Wohnung auf Aliks’ Tasche gestoßen war, an sein Telefonat mit Max, an seinen Rechtfertigungsversuch, dass die Zielpersonen ihr Schicksal verdient hätten und viele unschuldige Opfer durch den Anschlag gerettet würden. Dieses Prinzip hatte offenbar sein katastrophales, blutiges Ende gefunden.
    Ihm war nur vage bewusst, dass Aliks neben ihm stand. Sie war aschfahl, ihr Blick meilenweit weg. Sie stöhnte und war genauso wenig imstande wie er, die widerstreitenden Gedanken und Gefühle auszusprechen, die sie innerlich aufwühlten.
    Carver kam sich vor, als wären alle Blicke auf ihn gerichtet, als trüge er das Kainsmal auf der Stirn. Ein verrückter Gedanke , sagte er sich. Sie waren alle viel zu sehr damit beschäftigt, das Gehörte zu verkraften, als dass sie auf jemand anderen hätten achten können. Und dann wurde ihm klar, dass sein Instinkt Recht gehabt hatte. Er wurde beobachtet. Aliks auch. Und der Wahnsinn würde wieder von vorn anfangen.
    In dem harten, grellen Deckenlicht sah Carver den Russen, der das Trinken und Betatschen unterbrochen hatte. Er redete in ein Handy und blickte ab und zu in Carvers Richtung.
    »Verdammt!«, zischte Carver. »Wir müssen hier weg. Sofort!«
    Er wartete nicht auf Aliks Einverständnis, sondern packte sie am Arm und zog sie von der Tanzfläche. An einem Tisch in der Nähe stand die Kellnerin. Carver drückte ihr fünfhundert Dollar in die Hand. »Pour l’addition. Tenez la monnaie. Alors, où est la cuisine?«
    Die Kellnerin antwortete nicht, sie nahm nicht einmal die Geldscheine wahr. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Carver schüttelte sie. Carver wiederholte seine Frage drängender, damit sie zuhörte: »Wo – ist – die – Küche?«
    »Da drüben«, antwortete das Mädchen und zeigte kraftlos auf eine Flügeltür hinter den Tischen.
    »Hat sie einen Personalausgang?«
    »Ja, aber …« Sie stand reglos da, als Carver und Aliks an ihr vorbeistürmten, und murmelte einen schwachen Einwand.
    In der Schwingtür zur Küche sah Carver zu den Tischen zurück, wo der fette Kerl saß. Er stand soeben auf und gab zwei Kumpanen Zeichen, die plötzlich an seinem Tisch erschienen waren.

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