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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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auch nicht, darauf würde er seinen letzten Dollar wetten. Seit Paris hatte also niemand mehr das Ding benutzt. Carver klappte den Hitachi zu. Er war kein Computerfreak, nicht im Geringsten; aber der nächste, der diesen Laptop öffnete, würde einer sein.
    Carver war jetzt sicher, dass Aliks mit niemandem Kontakt hatte aufnehmen können, seit er ihr Handy in dem Mailänder Zug hatte liegen lassen. Fürs Erste wenigstens wusste niemand von ihrem Aufenthalt in Genf. Plötzlich fiel ihm auf, dass er Hunger hatte. Er ging an den Küchenschrank und holte eine Packung Cornflakes heraus. Sie waren mindestens drei Wochen alt, aber das war Pech. Dafür war die Milch frisch und kalt.
    Carver aß die Cornflakes an der Kücheninsel. Nach ein paar Löffeln griff er nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Da ging es noch immer um die Prinzessin, um dieselben Unfallbilder, dieselben Urlaubserinnerungen. Man sah sie im Badeanzug, in dem sie um die Körpermitte herum ungewöhnlich füllig erschien. Ein Kerl von CNN spekulierte, sie könnte schwanger gewesen sein. Andere Reporter äußerten sich zu den versäumten Überwachungsaufnahmen. Zwischen dem Ritz und dem Almatunnel gab es zwölf Kameras. Bei keiner gab es eine einzige Aufnahme von dem Mercedes. Carver seufzte. Wer das organisiert hatte, besaß einflussreiche Freunde. Aber auch er hatte ein paar Freunde.
    Carver spülte seine Schüssel und stellte sie auf das Abtropfbrett. Er wischte die Milchspritzer und Cornflakeskrümel von der Arbeitsplatte, um mit ein paar häuslichen Handgriffen den Kopf zu klären. Eine Sekunde lang stand er mit der Hand am Telefonhörer da. Schließlich hob er ab und wählte. Es klingelte mehrere Male, dann gab es ein ärgerliches Brummen in der Leitung.
    Carver grinste. »Schön aufwachen! Hier ist Carver.«
    »Ahhh … wie spät ist es?«
    »Gleich vier. Ja, ich weiß, es tut mir leid, aber es ist dringend. Wir müssen uns treffen. Kannst du in zwanzig Minuten bei Jean-Jacques sein?«
    Es gab ein neuerliches Brummen, diesmal bedeutete es Zustimmung. Carver nahm den Laptop, zog eine Lederjacke vom Garderobenhaken und eilte aus der Wohnung. Er lief bergab auf den See zu, durch das Geschäftsviertel am Ufer und auf die Pont des Bergues, eine v-förmige Brücke, von deren Spitze ein Steg auf eine kleine Insel mit Bäumen führte, die von Lichtern angestrahlt wurden. An einem Ende befand sich die Statue eines sitzenden Mannes in römischer Robe, der mit nachdenklichem Gesicht über den See blickte. Das war der berühmteste Sohn der Stadt: der Philosoph Jean-Jacques Rousseau.
    Als Carver bei der Statue ankam, hörte er eine Stimme im Verborgenen sagen: »Der Mensch ist frei geboren und doch überall in Ketten. Nun, Monsieur Rousseau, das haben Sie richtig erfasst.«
    Carver lachte. »Aber, aber, Thor, hör auf, dir selber leidzutun.«
    Eine ungewöhnliche Gestalt trat ins Licht. Der Mann war über eins neunzig groß, dünn wie eine Bohnenstange, blass, hatte blaue Augen und einen wüsten Schopf blonder Rastalocken. Er rieb sich übers Gesicht, um seine Erschöpfung zu betonen. »O Mann«, sagte er in seinem skandinavischen Singsang, »du hast mich mitten in der Nacht geweckt und angetrieben wie einen dressierten Pudel. Was meinst du, wie ich mich sonst fühlen soll?«
    »Komm und gönne deinen müden Gliedern auf dieser Parkbank eine kleine Rast«, sagte Carver. »Und sieh dir an, ob es sich nicht doch gelohnt hat, aus dem Bett zu steigen.«
    Carver hatte Thor Larsson vor vier Jahren in einer Kneipe kennengelernt, wo sie beide einen amerikanischen Blues-Gitarristen hatten hören wollen. Sie waren bei ein paar Bier ins Gespräch gekommen. Nach der fünften oder sechsten Runde hatte Carver entdeckt, dass dieser blonde Rastakopf nicht nur ein Softwareingenieur, sondern auch ehemaliger Oberleutnant im Nachrichtendienst des schwedischen Heeres war. »Nationaler Geheimdienst«, sagte er damals entschuldigend. »Mir blieb nichts anderes übrig.«
    »Das ist noch gar nichts«, erwiderte Carver darauf. »Ich habe zwölf Jahre bei den Royal Marines gedient, und das auch noch freiwillig.«
    Sie hörten Blues, redeten und tranken noch viel mehr Bier. Larsson wurde sein Techniker. Er fragte nie genau nach, warum Carver nicht nachverfolgbare E-Mail-Konten und Telefonanschlüsse brauchte sowie Computer, die allem, was man auf dem freien Markt kaufen konnte, um wenigstens achtzehn Monate voraus waren, und die Garantie, egal von wo in jedes Netzwerk

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