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Samuel Carver 02 - Survivor

Samuel Carver 02 - Survivor

Titel: Samuel Carver 02 - Survivor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Cain
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dass das Opfer bei Weitem nicht unschuldig war. Schließlich schlüpfte Carver durch die Tür und entfernte sich vom Schwesternzimmer, indem er geduckt über den Korridor zur Fluchttreppe lief.
    Innerhalb einer Minute saß er hinter dem Steuer des fremden Wagens. Er schlug den Mantelkragen hoch, dann fuhr er auf die Schranke zu, winkte dankend dem Pförtner und trat, sobald sich die Schranke hinter ihm geschlossen hatte, das Gaspedal durch, um mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Genf zu fahren.

    Um Viertel nach zwölf betrat Clément Marchand mit erwartungsvollem Blick seine Wohnung. »Marianne? Chérie?«, rief er.
    Dann quoll Blut aus seiner Hemdbrust und bespritzte seine Stirn. Er starb genauso wie seine Frau.
    Der Mörder verließ die Wohnung ohne Hektik. Beim Wegfahren rief er seinen Boss an, erstattete Bericht und fragte nach neuen Instruktionen.

32
    Carver blickte immer wieder in den Rückspiegel, ob ihn jemand verfolgte. Er wurde nervös, wenn dieselben Scheinwerfer länger als einen oder zwei Kilometer hinter ihm blieben. Wenn ein Wagen von der Hauptstraße abbog oder ihn ohne Zwischenfall überholte, ließ er erleichtert und dankbar die Schultern sinken, doch sobald ein anderer durch die Heckscheibe zu sehen war, wuchs seine Anspannung wieder.
    Er sagte sich, sei nicht albern. Er hatte fast immer allein gearbeitet. Warum sollte der Mann, der jetzt in seinem Bett lag, das nicht auch getan haben? Doch in seinem Kopf wuchs die Verfolgungsangst. Dabei fühlte er sich körperlich erschöpft. Er hatte vergessen, wie auslaugend so ein Kampf sein konnte. Er mochte nur ein paar Sekunden gedauert haben, aber ihm waren Angst und Anspannung vorausgegangen, und die intensive physische Anstrengung und das Gefühl der Erlösung, das sich einstellt, wenn man überlebt, hatten ihn entkräftet. Ihm taten alle Muskeln weh. Er war lethargisch und unkonzentriert. Er hatte den Stadtrand von Genf erreicht, als ihm ein anderer Gedanke kam: Wenn der Wagen nun mit einem Spürsender ausgestattet war?
    Er verfluchte seine Nachlässigkeit. Eigentlich hätte er ein fremdes Fahrzeug automatisch nach Sendern oder Sprengsätzen absuchen müssen. Doch das war ihm erst eingefallen, als es längst zu spät war. Kein Wunder, dass er nicht verfolgt wurde. Das war gar nicht nötig. Sie wussten bereits, wo er war.
    Dann dachte er an das Handy seines Mörders, das er in der Manteltasche hatte. Solange es eingeschaltet war, konnte jemand mit Zugang zum lokalen Netz auch ihn damit orten. Er griff in den Mantel und schaltete es aus. Nach einem letzten Blick in den Rückspiegel fuhr er an den Straßenrand, stieg aus und sah sich um. Er war irgendwo in dem Band von Vororten und Dörfern, die sich nordöstlich der Stadt ausgebreitet hatten. Sie führten um das Nordufer des Sees herum bis nach Lausanne und weiter nach Montreux. Die Straße verlief parallel zu einer Eisenbahnlinie. Ein Stück weiter war das Schild eines Bahnhofs zu erkennen, kaum mehr als ein Haltepunkt mit Namen »Creux de Genthod«. Bei dem Namen klingelte es. Er war schon einmal dort gewesen.
    Er joggte entlang der Straße auf den Bahnhof zu und hatte den Eingang schon fast erreicht, als ihm auffiel, dass auf der gegenüberliegenden Seite unten am See ein Restaurant war. Er hatte Frauen zu trägen Mahlzeiten am Wasser ausgeführt. Manchmal hatte er einen Tag lang ein Boot gemietet und war dorthin gesegelt, um am Anleger bei der Terrasse festzumachen, wo im Sommer die Tische draußen standen. Er hatte noch lebhaft vor Augen, wie er damals hinüberschlenderte und blaue Sonnenschirme und gestreifte Markisen erblickte, wie die Frau, die er bei sich hatte, seinen Arm drückte, weil sie glücklich war, mit einem Boot zum Essen auszufahren. Dann erinnerte er sich wieder, wie es ihm manchmal dabei gegangen war: dass er an dem Vergnügen des anderen nicht teilhaben konnte, sondern sich wie abgeschnitten fühlte, während er im Geist den Tod verarbeitete, den er verursacht hatte oder den er für jemanden plante.
    Carver erwog, zu dem Restaurant hinunterzugehen und das Telefon zu benutzen. Mitternacht war vorbei, und sie würden sicher gleich schließen, aber er könnte sagen, er hätte eine Autopanne. Er wollte sich mit Larsson in Verbindung setzen. Er brauchte dringend einen Verbündeten. Doch dann sah er aus den Augenwinkeln etwas aufleuchten, die Scheinwerfer eines herannahenden Zuges. Wenn er rannte, konnte er ihn noch erwischen und damit in die Stadt fahren. Das würde keine fünfzehn

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