Samuel Carver 03 - Assassin
vollkommen unschuldig war oder ein berechnender Killer mit einem Fluchtplan, der so ausgefeilt war wie der Anschlag selbst. Bisher hatte noch nicht einmal jemand Zeit gehabt, das Hotelpersonal zu befragen. Und kriminaltechnische Beweise, dass die Explosion durch einen hausinternen Anruf ausgel ö st worden war, gab es auch noch nicht.
Au ß erdem war Ravnsborg zutiefst misstrauisch, was den Tipp anging. Der Tippgeber war anonym geblieben. Wer w ü rde das wollen und warum? Es war immerhin m ö glich, dass der Bombenleger von seinen eigenen Leuten ans Messer geliefert werden sollte. Und wenn das so w ä re, w ü rde er wahrscheinlich wiederum die anderen verraten wollen. Vielleicht kam der Tipp von einer rivalisierenden Bande, die die Konkurrenz schw ä chen wollte, oder von einem ausl ä ndischen Spion, der unerkannt bleiben wollte. Ravnsborg gefiel keine der Vermutungen. Doch er durfte einen so guten Hinweis auch nicht ignorieren.
Er hob den Kopf und sah, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren.
» Berg, Dalen «, rief er im Befehlston, » fahrt zum Gabelshus Hotel. Das ist in Skillebekk. Holt eine Amerikanerin namens Madeleine Cross ab, au ß erdem einen Landsmann von uns, Thor Larsson, und bringt sie her. Sagt ihnen, sie sollen im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag befragt werden. Sie sind Zeugen, keine Verd ä chtigen, aber das kann sich ä ndern. Lasst sie nicht mit irgendeinem Mist von wegen der amerikanischen Botschaft durchkommen. Bringt sie einfach so schnell wie m ö glich her. Los.«
W ä hrend die beiden Polizisten den Raum verlie ß en, bombardierte Ravnsborg seine Mannschaft mit weiteren Befehlen. Es sollte eine Fahndung herausgegeben werden: m ä nnlicher Brite, zwischen f ü nfunddrei ß ig und vierzig Jahre alt, ü ber eins achtzig gro ß , dunkelhaarig, angeblicher Name Carver.
» Haben wir die Augenfarbe? «, fragte einer seiner M ä nner.
Ravnsborg blickte d ü ster auf das Foto, auf dem Carver vom Blitzlicht beleuchtet war. » Rot «, sagte er. Dann: » Das war ein Witz.«
Er erntete nerv ö ses Gel ä chter. Die n ä chste Anordnung lautete, das Foto an die Fernsehsender zu schicken, zusammen mit der Information, dass Mr Carver als Zeuge von der Polizei gesucht werde, damit man ihn von der Befragungsliste streichen k ö nne.
W ä hrenddessen klingelten st ä ndig die Telefone, weil neue Meldungen vom Anschlagsort kamen und Journalisten Informationen verlangten und Politiker anriefen, die in dem St ü ck eine Rolle spielen wollten. Ravnsborg hatte soeben ein kurzes, ä rgerliches Gespr ä ch mit dem Polizeipr ä sidenten beendet, der ihm Gl ü ck w ü nschte, f ü r den Fall eines Ermittlungserfolgs eine Bef ö rderung versprach und im selben Atemzug mit einer sofortigen Versetzung in den hintersten Winkel des Landes drohte, wenn der Erfolg ausbliebe, als der junge Polizist erneut an seinen Schreibtisch trat.
» Du schon wieder «, seufzte Ravnsborg. » Was willst du? «
» Du wirst es nicht glauben, aber unten an der Oper ist die H ö lle los.«
45
Das Moped fuhr im Schritttempo die breite Promenade hinunter, die zwischen der Restaurantmeile und dem Meer entlangf ü hrte. Hier war f ü r jeden etwas dabei: Steakh ä user, Pizzerien, franz ö sische Feinschmeckerlokale und Fischrestaurants. In jedem Lokal bekam man dicke Wolldecken, damit man auch drau ß en gem ü tlich sitzen konnte. Doch da sa ß en keine verschmusten P ä rchen, die sich eine Decke teilten und knutschten. Wohin Carver auch blickte, die Leute scharten sich um Radios und Handydisplays, um die neuesten Meldungen ü ber den Bombenanschlag zu h ö ren. Einige Restaurants hatten Fernseher aufgestellt, als ob sich an diesem Abend niemand f ü r etwas anderes interessieren k ö nnte.
Keiner achtete auf ihn, w ä hrend er vorbeifuhr. Er kam sich vor wie ein Hai, der unentdeckt zwischen Badeg ä sten schwimmt, ein verhasster Killer, der sofort gejagt und get ö tet werden w ü rde, sobald er auffiel. Er f ü hlte sich schuldbeladen. Und ihm war danach, Tyzack umzubringen. Doch bevor er das konnte, musste er erst einmal entkommen, sich neu sammeln und ein besseres Schlachtfeld finden.
In der Polizeizentrale stellte die Pressebeauftragte die Verlautbarung fertig, die mitsamt dem Foto des mutma ß lichen Bombenlegers oder des Hauptzeugen, wie Ravnsborg entschieden hatte ihn zu nennen, an alle Sender gemailt werden sollte. Sie wollte gerade auf »senden« klicken, doch dann zögerte sie.
Besser, wenn der Boss einen
Weitere Kostenlose Bücher