Samuel Carver 03 - Assassin
Junge nickte panisch.
» Nimm die Kette ab und leg sie neben dich auf den Boden.«
Er gehorchte. Carver schob die Kette mit dem Fu ß au ß er Reichweite.
» Jetzt langsam aufrichten, ganz langsam, keine pl ö tzlichen Bewegungen.«
Er wartete, w ä hrend der Junge gehorchte.
» Dreh dich um und sieh mich an … Jetzt die Schl ü ssel bitte. Ebenfalls sch ö n langsam.«
Carver nahm die Schl ü ssel mit der linken Hand entgegen und steckte sie in die Hosentasche. Der Junge fing an zu zittern, drehte die angsterf ü llten Augen nach oben zum Lauf, der mitten auf seine Stirn zeigte. Er lie ß sich einen Bart wachsen, wie Carver sah, ein mausbrauner Flaum ü berzog die Wangen, die noch leicht von Akne gezeichnet waren.
» Bitte, bringen Sie mich nicht um «, bettelte er mit hoher Stimme.
» Das habe ich nicht vor «, sagte Carver und warf einen hastigen Blick den Weg entlang. Er war frei. Sie hatten ihn noch nicht aufgesp ü rt. » Nicht wenn du genau tust, was ich dir sage.«
» Klar, klar «, versicherte der Junge. » Was Sie wollen.«
» Gut, dann zieh die Jacke aus und leg sie neben den Helm. Ich stecke jetzt die Pistole weg.«
Der Junge drehte sich halb zur Seite und legte die Jacke ü ber das Moped. Carver sah, wie die Anspannung in den Schultern des Jungen nachlie ß , sowie er die Waffe weggesteckt hatte. Und genau in diesem kurzen Moment der Entspannung packte Carver den schlaksigen jungen Mann, drehte ihn herum, schob ihn den Weg hinunter und stie ß ihn ins Wasser. Der Fall war nicht besonders schlimm, doch die nassen glatten Marmorplatten w ü rden es ihm unm ö glich machen, sich an Land zu ziehen. Er w ü rde ein St ü ck weit schwimmen m ü ssen, und das verschaffte Carver die Zeit, die er brauchte.
Er sah den Jungen an, der Tretbewegungen im Wasser machte und nicht mehr ä ngstlich, sondern emp ö rt zu ihm hochblickte.
» Ich werde dein Moped mitnehmen, aber ich fahre nicht weit «, sagte Carver. » Geh nach Aker Brygge, da findest du es. Ohne mich.«
Carver ging zur ü ck, zog die Jacke an und setzte den Helm auf, startete den Motor und fuhr los. Er dachte an das F ä hrboot, das eben die Segel gesetzt hatte. Das war sein Weg aus Oslo, und er ü berlegte schon, wie er an Bord gelangen k ö nnte.
44
»Was gibt’s?« Polizeirat Ole Ravnsborg, Leitender Beamter vom Dienst im Polizeipr ä sidium an der Hammersborggata, das nicht weit vom Ort der Explosion entfernt war, blickte auf, als der junge Polizist mit zwei Bl ä ttern Papier nerv ö s vor ihm stand.
» Wir haben gerade einen Tipp bekommen. Wegen der Bombe im Kong Haakon.«
Ravnsborg war so kr ä ftig und zottig wie die Hunde mit dem Brandyf ä sschen um den Hals. Er brummte unwirsch, und seine massigen Schultern schienen noch ein St ü ck hinunterzusacken.
» Leg’s auf den Stapel zu den anderen Verr ü ckten «, murmelte er.
Doch der junge Bursche lie ß sich nicht beirren. » Ich glaube, der da ist anders «, beharrte er. » Der Anrufer hat den Namen des Bombenlegers und seiner zwei Komplizen genannt. Er hat sogar ein Foto geschickt, das im Hotel aufgenommen wurde, genau zu der Zeit, als die Bombe hochging.«
Ravnsborg winkte mit dem Finger, als riefe er einen Kellner herbei. » Gib her «, sagte er und nahm die Bl ä tter. In der voll besetzten Einsatzzentrale wurde es pl ö tzlich still, als das eilig zusammengestellte Ermittlungsteam – eine Ad-hoc-Mischung aus Beamten, die zurzeit des Anschlags gerade Dienst hatten, und anderen Ermittlern, die man ausfindig gemacht und herbeordert hatte – darauf wartete, was der Chef mit den neuen Informationen anfangen w ü rde.
Ravnsborg las die E-Mail und sah sich das Foto an. Dabei schob er die Finger in seine zerzauste schmutzig blonde Haarmatte, um sich zu kratzen. Sein K ö rper geriet ein bisschen aus der Form, aber wie ein Gewichtheber, der sich zur Ruhe gesetzt hat, hatte er noch gro ß e Kraftreserven. Ravnsborg regte sich nicht, doch sein Verstand sprang mit der Agilit ä t eines Turners vom einen Punkt zum n ä chsten.
Der Anschlag war v ö llig ü berraschend gekommen. Es hatte keine Drohung von Terroristen, keine Warnung des Geheimdienstes oder der Antiterrorabteilung gegeben. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste waren schon bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen, um wenigstens mit den unmittelbaren Folgen der Explosion in der Umgebung des Hotels fertig zu werden. Er konnte keine Leute f ü r eine aussichtslose Suche nach einem Mann abstellen, der entweder
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