Samuel Carver 03 - Assassin
Anlasseranschluss: Ein Stromkreis war hergestellt, und stotternd sprang der Motor an.
Carver hatte soeben ein RIB kurzgeschlossen.
Er ging durch das Boot und machte die Leinen los. Dann stellte er sich ans Steuer, legte den R ü ckw ä rtsgang ein, um behutsam zur ü ckzusetzen, und schwenkte das Boot herum, sodass es mit dem Bug zur Br ü cke zeigte.
Hinter der Br ü cke lag der Oslofjord und dahinter das offene Meer. Irgendwo da drau ß en war eine Ostseef ä hre. Carver legte den Vorw ä rtsgang ein und fuhr los. Sobald er unter der Br ü cke durch war und die Reihe der Anlegepontons hinter sich gelassen hatte, an denen die Jachten lagen, dr ü ckte er aufs Gas, sodass das Boot auf drei ß ig Knoten beschleunigte und in die untergehende Sonne brauste.
Am Gabelshus Hotel führten zwei Polizisten Maddy Cross und Thor Larsson die Eingangstreppe hinunter zu dem wartenden Streifenwagen.
In der Osloer Polizeizentrale las die Pressebeauftragte die Verlautbarung ein letztes Mal durch. Ja, fand sie, der Text enthielt alles, was der Chef verlangt hatte. Sie schickte ihn ab. In ein paar Minuten w ü rden der Name und das Gesicht des Bombenlegers auf jedem Fernsehsender, auf jeder Nachrichtenseite, an jedem Zeitungsstand in Norwegen zu sehen sein. Er w ü rde nirgendwo unerkannt bleiben.
47
Damon Tyzack hatte nicht übel Lust, die beiden Männer abzuknallen, die mit ihm aufs Operndach gerannt waren. Der Hubschrauber, den er herangepfiffen hatte, damit er ihn und Carver wegbrachte, konnte auf dem Dach nicht landen – typisch f ü r diese absurde moderne Architektur –, und sie hatten sich einer nach dem anderen an einem Seil hinaufziehen lassen m ü ssen. Das hatte ewig gedauert und war seiner Verfassung nicht f ö rderlich gewesen.
Er f ü hlte sich bereits gestresst, weil Carver die anderen drei ausgeschaltet hatte und verschwunden war. Bis Tyzack die andere Rampe erreicht hatte, war Carver schon weg gewesen. Dann hatte er einen r ö hrenden Motor geh ö rt, ü ber die Dachkante gesp ä ht und einen Mann gesehen – das musste Carver gewesen sein –, der auf einem sch ä bigen Moped davonfuhr. Aber da war es zu sp ä t gewesen, um noch zum Wagen zu laufen. Hoch oben in der Luft waren sie besser dran. Trotzdem kam er sich nicht sonderlich gerissen vor, w ä hrend er zum Hubschrauber hinaufgezogen wurde wie ein Schiffbr ü chiger und dann in der Kabine warten musste, bis die beiden anderen oben waren. Zumal die Polizei jeden Augenblick aufkreuzen konnte. Er ü berlegte ernsthaft, ob er sich aus der T ü r lehnen und seinen M ä nnern jeweils zwei schnelle Sch ü sse verpassen sollte. Doch Carver war noch am Leben, also gab es etwas zu tun. Er konnte jetzt auf keine weiteren Leute verzichten. Zumal einer davon Foster Lafferty war, ein totales Rindvieh, aber f ü r gewisse Dinge unersetzlich.
Also was nun?
Tyzack setzte sich ein Headset auf und befahl seinem Piloten, nach S ü den ü ber das Wasser zu fliegen. Er musste von den Bullen weg und brauchte Zeit zum Nachdenken. Wenn er jetzt einen Fehler machte, k ö nnte die ganze Sache in die Hose gehen. Und das konnte er sich nicht leisten. Nicht, wenn er einen Pr ä sidenten zu erledigen hatte.
48
Ole Ravnsborg gab vor anderen nicht gern zu, dass er ein gebrochenes Nasenbein hatte, weil er als Kind mit dem Fahrrad gest ü rzt war. Er wollte keinen entt ä uschen. Die Leute glaubten gern, dass ein Mann von seiner Statur und mit seinem Gesicht ein harter Kerl sein m ü sse. Und das war von Vorteil, wenn er es mit Kriminellen zu tun hatte, von denen die meisten eine v ö llig verrohte, darwinistische Lebensauffassung hatten. Die gebrochene Nase fl öß te einen gewissen Respekt ein und lie ß bei seinen Gegenspielern au ß erdem den Gedanken nicht aufkommen, dass er gerissener sein k ö nnte als sie.
Bei Frauen war das nat ü rlich anders. Ravnsborg konnte auch den Nachdenklichen spielen, was seinem wahren Charakter viel n ä herkam. Aber auch diese Eigenschaft taugte zur Tarnung.
Er befragte Maddy Cross im Beisein einer Polizistin. Er lie ß sich Zeit und machte es sich erst einmal bequem. Er wollte sie zuerst ein wenig mustern, nicht aus lasziven Gr ü nden – obwohl er ihre Reize sehr wohl bemerkt hatte –, sondern um sich von seiner Zeugin und m ö glichen Gegnerin einen Eindruck zu verschaffen.
Sie war ratlos und verunsichert, was zu erwarten war, entweder weil man sie im Ausland auf eine Polizeistation gebracht hatte oder weil sie ihm als erfahrene
Weitere Kostenlose Bücher