Samuel Carver 04 - Collateral
entlangfuhren, um die Tiere, die sich an dem Teich zum Trinken einfanden, zu fotografieren. Die Nashörner waren inzwischen an Menschen gewöhnt und flüchteten nicht mehr beim ersten Geräusch eines Motors, es sei denn, sie standen auf der Straße, wenn sich ein Fahrzeug näherte. In dem Fall erfreuten sich die Safariteilnehmer an dem massigen Hinterteil eines ausgewachsenen Nashorns, das mit 45 km/h und dem watschelnden, schlingernden Lauf eines fetten Menschen das Weite suchte – ein rennendes Nashorn: von hinten ungeheuer komisch, von vorne ungeheuer Furcht einflößend.
Die acht Männer, die in dem alten verbeulten Toyota Hilux hockten – zwei in der Fahrerkabine, sechs auf der Ladefläche – waren keine Touristen. Bekleidet waren sie mit einer individuellen Mischung aus Jeans, Militärjacken, Fußballtrikots und Trägerhemden, und ihr Alter rangierte von achtzehn bis vierzig. Worin sie sich nicht unterschieden, war das AK-47, das jeder bei sich trug.
Sinikwe hob den Kopf, als sich der Geländewagen dem Gehölz näherte. Ihre Ohren zuckten nervös. Doch das Fahrzeug fuhr vorbei, und der Motorlärm verklang, sodass sie sich den Akazienzweigen wieder zuwenden konnte.
Auf der windabgewandten Seite des Gehölzes hielt der Wagen an. Daher witterte sie die Männer nicht, als sie ausstiegen und den Weg zurückgingen. Aufgrund des schwachen Augenlichts, mit dem Nashörner ausgestattet sind, konnte sie sie auch nicht sehen. Die Männer schlichen sich an und hoben ihre Waffen.
Nashörner haben keine natürlichen Feinde. Die größte Gefahr droht ihnen von ihren Artgenossen. Zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Nashörner sterben an Verletzungen, die sie sich im Kampf mit Rivalen zuziehen. Ihre dicke Haut und das scharfe Horn schützen sie vor Angriffen anderer Tiere. Doch dem Feuerstoß aus einer automatischen Schusswaffe sind sie hilflos ausgeliefert. So auch Sinikwe in dem Akaziengehölz, als die Kugeln durch die grünen Zweige peitschten und ihr Fleisch aufrissen und Knochen zersplitterten.
Sie war das erste Opfer. Sie verendete mit einem schrillen Schrei, den auch das brutale Geknatter der Sturmgewehre nicht übertönen konnte. Mit roten Rosetten übersät lag ihr durchsiebter Körper auf der blutbespritzten Erde.
Die übrigen Nashörner flüchteten und kamen mit geringen Verletzungen davon, bis auf eines: Fairchild blieb bei dem Busch stehen, an dem es gefressen hatte, überwältigt von dem Lärm und dem Geruch der Waffen, verwirrt durch die plötzliche Reglosigkeit der Mutter. Dann näherte es sich langsam und versuchte unter jämmerlichem Gequieke, seine Mutter zum Aufstehen zu bewegen.
Einer der Männer schnauzte einen knappen Befehl. Zwei andere stießen ein frisches Magazin in ihr AK-47. Es folgte ein kurzer Feuerstoß, und Fairchild lag ebenfalls tot da.
Die Männer machten sich mit Buschmessern ans Werk. Einige hackten das ausgewachsene Horn Sinikwes und das viel kleinere von Fairchild ab, die anderen schlugen mit Äxten auf die Füße der Nashörner ein, bis ihre Arbeit von einem weiteren Befehl unterbrochen wurde.
Die Männer traten von den verstümmelten Kadavern weg und nahmen nur das lange vordere Horn der Nashornmutter mit, ihre kostbarste Beute. Alles andere überließen sie den Aasfressern, die das Blutbad in Kürze anlocken würde. Sie kehrten zum Hilux zurück, und in dem Gehölz wurde es still.
3
Zalika Stratten hoffte weiter auf Rettung vonseiten ihres Vaters. Später würde er ihr wie immer mit seinen kräftigen braunen Fingern, die rau wie Baumrinde waren, durch die Haare wuscheln und sagen: »Nimm dir nicht so sehr zu Herzen, was Mummy sagt. Sie meint es gut. Sie macht sich nur Sorgen um dich, mehr nicht.« Aber Zalika wollte kein »Später«. Er sollte jetzt eingreifen und sagen: »Hör auf, Jacqui, es reicht.«
Dick Stratten herrschte über ein großes Reich – er besaß nicht nur das Reservat, sondern auch Farmen und Viehzuchtbetriebe im ganzen Land, und viele Menschen waren, was ihre Arbeit, ihre Familien, sogar was das unmittelbare Sattwerden betraf, von ihm abhängig. Wieso konnte er seine eigene Frau nicht im Zaum halten? Wieso musste er dasitzen, an seinem Lammkotelett kauen und absichtlich aus dem Fenster schauen, um den Streit, der neben ihm vonstattenging, zu ignorieren?
Und warum wollte ihre Mutter sie nicht einfach in Ruhe lassen?
»Im Ernst, Liebling«, sagte Jacqui Stratten, »es tut dir doch nicht weh, wenn du ab und zu mal ein hübsches Kleid anziehst.
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