Samuel Carver 04 - Collateral
Arbeiter beschäftigen und Hunderte Millionen Dollar ins Land bringen, mit denen meine Regierung den Wiederaufbau finanzieren kann. Mir klingt das nach einem fairen Handel. Ich bin überzeugt, die Menschen werden das genauso sehen.«
»Das ist für alle ein gutes Geschäft«, sagte Klerk. »Also, hier ist mein Vorschlag, Sam. Ich habe für das Tantalprojekt eine Holdinggesellschaft gegründet und gebe Ihnen fünf Prozent der Anteile, wenn Sie den Auftrag übernehmen. Natürlich sind die Anteile jetzt noch wertlos. Aber wenn Sie Erfolg haben, wird die Mine wieder geöffnet, und Ihr Gewinn wird bald so groß sein, dass Sie für den Rest Ihres Lebens im Luxus schwelgen können. Und wenn das nicht genug Anreiz ist, habe ich noch eine letztes As im Ärmel.«
Klerk schaute von Carver weg in eine Ecke des Salons, wo Alice einen großen Nussbaumschrank geöffnet und einen Flachbildfernseher zum Vorschein gebracht hatte, der mit dem MacBook verbunden war. Sie stand mit der Fernbedienung in der Hand wartend davor.
»Kommen Sie, Sam«, sagte Klerk und ging zu ihr hinüber. »Es ist an der Zeit, sich mit einem verloren geglaubten Freund neu vertraut zu machen.«
27
Auf dem Fernseher erschien eine QuickTime-Datei, und Alice drückte auf die Play-Taste. Zu sehen war ein Videofilm, aufgenommen aus der Zuschauermenge einer politischen Kundgebung in Malemba. Präsident Gushungo hielt eine Rede, bei der er über die Übeltaten weißer Politiker in Großbritannien und den USA schimpfte. Die Kamera blieb jedoch nicht lange auf ihn gerichtet, sondern schwenkte und zoomte zu einem Mann, der rechts hinter dem Präsidenten stand, einem großen Brillenträger im teuren Anzug, der maßgeschneidert war, um seine Hagerkeit angemessen zu kaschieren.
Er schien der Rede wenig Aufmerksamkeit zu zollen, sondern achtete auf das Publikum. Mit ruckartiger Bewegung drehte er den Kopf von einer Seite zur andern, um die schwitzende, unruhige Menschenmasse im Blick zu behalten, und beobachtete mit heimtückischer Miene ihre Reaktionen, als hätte er eine Herde Beutetiere vor sich.
Seine Körperhaltung wirkte verzerrt durch die rechte Schulter, die zum Gesicht hin hochgezogen war. Was den Blick jedoch am meisten anzog und was Carver mit einer Mischung aus Widerwillen und zwanghafter Faszination betrachtete, war die untere Gesichtshälfte.
Das Kinn war entstellt, der Unterkiefer ohne muskulöse Beherrschung, sodass der Mund offen stand. Die Wangen waren eingefallen wie bei einem zahnlosen Greis, sahen aber noch viel schlimmer aus, denn die Haut bestand aus höckerigem Narbengewebe. Der Mann zog einen Mundwinkel hoch, was wie die bösartige Parodie eines Lächelns aussah, und entblößte ein langes Stück rosa Zahnfleisch und einen einzelnen, spitz zugefeilten Eckzahn. Wo die Backenzähne hätten sein sollen, war eine klaffende schwarze Lücke.
Carver hörte einen kleinen Aufschrei und blickte zu Alice. Ihre kühle Selbstbeherrschung war perdu; sie rang um Fassung.
»Verzeihung«, sagte sie, gegen ihre Tränen anblinzelnd. »Es scheint keine Rolle zu spielen, wie oft ich es sehe. Offenbar kann ich es nicht ertragen.«
Carver sah Klerk an. »Was ist dem denn passiert?«
»Sie«, sagte Klerk. »Das ist Moses Mabeki, Zalikas Entführer. Es waren Ihre Kugeln, die diesen prachtvollen Kerl aus ihm gemacht haben.«
»Mabeki?« Carver sah das Zimmer über der Bar vor sich und den Mann am Boden, unter dem sich eine Blutlache stetig ausbreitete. »Als ich ihn zuletzt sah, war er tot.«
»Viele in Malemba halten ihn noch immer für tot. Sie glauben nicht, dass er noch ein Mensch ist. Sie halten ihn für einen bösen Geist, der in Mabekis Leiche eingezogen ist, sie belebt hat und nun benutzt, um überall, wo er auftaucht, Leid und Tod zu verbreiten.«
»Eine begreifliche Ansicht«, meinte Patrick Tshonga. »Man möchte nicht glauben, dass ein gewöhnlicher Mensch so grausam und blutrünstig sein kann wie Moses Mabeki.«
»Dann kennen Sie die Leute nicht, denen ich schon begegnet bin«, sagte Carver.
»Nein, nein, Mr. Carver, glauben Sie mir, ich weiß genau, was Menschen einander antun können«, widersprach Tshonga. »Mir wäre es auch lieber, ich könnte bösen Geistern dafür die Schuld geben.«
»Und was tut Moses Mabeki?«
»Alles Mögliche«, antwortete Klerk. »Er ist der Mann, der für den Präsidenten die Drecksarbeit macht. Wenn Gushungo der afrikanische Hitler ist, dann ist Mabeki Himmler. Er leitet die Geheimpolizei und billigt deren
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