Samuel Carver 04 - Collateral
Klerk zuflog und er vor dem zweiten Schuss neu zielen musste. Er machte es ganz gut, und seine sieben Treffer waren unter diesen Umständen mehr als respektabel. Doch er war nur das Vorspiel zur Hauptattraktion.
Zalika war nach ihm dran. Sie trat mit der gewohnten Selbstbeherrschung an. Ihr Atem ging gleichmäßig. Sie richtete die Patronen ihrem Ritual gemäß aus.
Alles schien bestens, dennoch war etwas nicht ganz wie sonst. Sie traf das erste Paar, aber nur am hinteren Rand.
Dann stand sie vor einer echten Charakterprüfung. Wenn ein guter Schütze einen geringen Fehler macht, ist er immer versucht, ihn übertrieben auszugleichen. Nachdem er bei der einen Scheibe den hinteren Rand getroffen hat, zielt er bei der nächsten nur allzu leicht weiter nach vorn und verfehlt sie dadurch ganz. Das Beste und Tapferste ist es, gar nichts zu ändern. Warum auch? Schließlich wurde die Scheibe getroffen.
Carver sah das Ringen in Zalikas Kopf geradezu vor sich. Es war auch ihren Bewegungen anzumerken. Ihre Hände zitterten ein bisschen, als sie die nächsten Patronen in die Läufe schob und mit ungeschickten Fingern drehte.
Sie war hart: Sie blieb fest und traf beide Ziele. Nun brauchte sie nur noch sechs Treffer zu machen und lag noch einen vorn. Wenn sie die nächsten drei Dubletten nicht verfehlte, hatte sie gewonnen, und Carver konnte nichts dagegen tun. Doch die Anspannung wuchs, egal wie sehr sie sich bemühte, sie zu unterdrücken. Nach dem vierten Schuss hielt Zalika eine Sekunde länger inne und starrte auf den Boden, dann atmete sie tief durch. Als sie den Lauf abkippte, war sie noch mit ihren Gedanken beschäftigt. Sie machte keinen Versuch, die Hülsen aufzufangen, sondern ließ sie auf den Boden fallen. Beim Nachladen sah sie nicht einmal hin, drehte aber die Patronen mit der Aufschrift nach oben, bevor sie das Gewehr zuschnappen ließ.
Carver war klar, dass ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren. »Schieß daneben, schieß daneben«, flüsterte er lautlos vor sich hin.
Zalika tat ihm den Gefallen nicht. Sie traf die fünfte Scheibe in der Mitte, aber die sechste kam zerbrochen aus der Maschine, und McGuinness rief erneut »Ungültig!«.
Darauf schien sich Zalika zu entspannen. Sie wirkte nicht mehr halb so beunruhigt, als sie die Hülsen wegwarf und durch neue Patronen ersetzte, die sie sorgfältig ausrichtete.
Sie hatte ihre Sicherheit und Routine wieder.
Die dritte Dublette wurde wiederholt. Diesmal verfehlte Zalika die erste Scheibe und traf die zweite. Sie lächelte still und pries ihr Glück, denn ihr Fehler zählte nicht. Carver sah ihr an, dass sie sich an die Regel erinnerte, die McGuinness zitiert hatte, wonach der Treffer des ersten Versuchs gewertet wurde. Sie lag noch immer einen vorn und hatte noch vier Schüsse vor sich.
Zalika gewann ihr altes Selbstvertrauen zurück, als sie die nächsten zwei Scheiben pulverisierte. Sie war jetzt im Endspurt, die Ziellinie war in Sicht.
Die letzte Dublette wurde ausgeworfen. Die Scheiben kamen herangeflogen; die rechte ein wenig höher als die linke, strebten sie auseinander. Zalika traf die rechte zuerst, dann schwenkte sie den Lauf im Bogen nach links. Der Schwung war glatt, die Bewegung beherrscht, beide Augen waren offen für optimale Sicht und räumliche Erfassung.
Und trotzdem schoss sie daneben.
Carver konnte es nicht glauben. Er hätte jede Summe auf sie gesetzt. Doch zum zweiten Mal war sie vom letzten Schuss einer Sequenz im Stich gelassen worden. Zalika schaute genauso ungläubig. Sie verfolgte die unversehrte Tonscheibe, die in sanftem Bogen zur Erde fiel, mit einem Blick, als könnte sie sie mit reiner Willenskraft vernichten. Schließlich schüttelte sie den Kopf, kippte die Gewehrläufe ab, fing die Hülsen mit ärgerlicher Handbewegung auf und schleuderte sie in den Behälter, bevor sie sich umdrehte und zurückging.
Einen leidenschaftlichen Trotz in den Augen, ging sie an Carver vorbei und zischte leise: »Sie können mich trotzdem nicht schlagen.«
Carver erwiderte nichts darauf. Er hatte nicht vor, sich selbst zu überflügeln. Das Endergebnis war nur eine Ablenkung. Er hatte vor allem eine Entscheidung zu treffen.
Er begab sich an die Schussposition. Er hoffte nicht, gut zu schießen, er glaubte auch nicht daran, sondern er forderte es von sich.
Er verbannte alle Gedanken an Zalika, schob alle Unsicherheit wegen der Höhe und Größe der Tonscheiben beiseite, desgleichen die Tatsache, dass er ohne nennenswerte
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