Samuel Carver 05 - Collapse
Essstäbchen.
»Natürlich war es unmöglich, vorherzusagen, dass ein Sabotageakt dieser Amateure solche Wirkung erzielen würde«, fuhr der Funktionär fort, was Choi ungemein beruhigte. »Welche Haltung hat die britische Regierung derzeit dazu, Genosse Jian?«
»Die steht mit heruntergelassenen Hosen da und düngt die Reisfelder mit ihrer Scheiße«, höhnte der Diplomat und löste schallendes Gelächter aus. »Wie die Briten so schön sagen, rennen sie herum wie kopflose Hühner. Der Premierminister steht unter Schock. Er hat einen katastrophalen Gesichtsverlust erlitten, und weder er noch seine Minister oder deren Beamte haben eine Idee, wie er sein Gesicht zurückerlangen könnte.«
»Das macht die Lage von Grantham umso interessanter«, bemerkte der Pekinger Funktionär. »Wir halten ihn für einen würdigen Gegner, der die Nerven behält. Und er scheint die Gefahr, die von Zorn ausging, vorhergesehen zu haben, im Gegensatz zu einigen leichtgläubigen Narren.«
»Wird er in dem Fall nicht umso mehr darauf erpicht sein, Zorn durch Carver beseitigen zu lassen?«
»Das kann man annehmen, ja.«
»Sollten wir da nicht unser Bestes tun, um das zu verhindern, da uns die Wirkung von Zorns Handlungen nun ungeahnten finanziellen und politischen Gewinn einbringen wird?«
»Auch das ist ein begründetes Argument. Wie ist Ihre Meinung, Genosse Jian?«
»Ich stimme Ihrer Einschätzung von Grantham zu. Er ist ein klarsichtiger Mann. Er sieht die Dinge, wie sie wirklich sind, nicht wie er sie gern hätte. Und er hat den Mut zu handeln, wenn andere noch weinen und die Hände ringen. Wenn er glaubt, es sei von Vorteil, Zorn zu eliminieren, wird er nicht zögern, es zu tun.«
»Und Sie glauben nach wie vor, dass das morgen in Wimbledon passiert?«, fragte der Funktionär Choi.
»Ich habe gute Gründe, anzunehmen, dass Carver den Anschlag auf Zorn wahrscheinlich nahe am Turnierort ausführt und nicht im All England Club selbst«, antwortete Choi. »Wenn er ihn heimlich töten wollte, wäre es verhältnismäßig einfach, Zorn das Essen oder ein Getränk zu vergiften und zu verschwinden, ehe die Wirkung einsetzt. Doch er hat die Anweisung bekommen, dass der Tod unter den Augen der Öffentlichkeit eintreten muss. Da ist eine Bombe oder ein Schuss naheliegend. Das Tennisturnier wird in hundertachtzig Länder ausgestrahlt. Wenn Zorn also vor Fernsehkameras sterben soll, wäre Wimbledon der ideale Ort. Es bestünde aber auchein hohes Risiko, dass noch andere Menschen verletzt werden. Bei einer Bombenexplosion sowieso, aber es könnte auch ein Zuschauer in die Schusslinie laufen. Außerdem muss Carver das Problem lösen, wie er hinein- und wieder hinausgelangt. Es ist nicht abzusehen, was eine panische Menschenmenge, die schon eine Gefahr für sich genommen darstellt, nach einem solchen Anschlag tut. Auf jeden Fall erschwert sie eine reibungslose, schnelle Flucht. Aus diesen Gründen vermute ich, dass der Mordanschlag auf der Straße ausgeführt wird, wenn Zorn den Veranstaltungsort verlässt oder dorthin unterwegs ist. Ich habe Carver und Zorn bereits unter Beobachtung gestellt und Ausweichpläne im Kopf, falls wir schnell handeln müssen. Falls nicht, werde ich Carver eliminieren, während er beim Tennis zuschaut.«
»Aber Genosse Choi, haben Sie nicht gesagt, das sei kein geeigneter Ort für einen Mordanschlag?«, fragte Jian.
»Für einen, wie Carver ihn ausführen soll, ja. Aber wir können dezent vorgehen. Stellen wir uns vor, eine Gruppe höflicher Leute, die sich anonym in der Masse bewegt und in ihr Gespräch vertieft sind, rempeln einen englischen Teufel an. Er wird ein paar Sekunden brauchen, um sich zu fangen, wird vielleicht zornig sein. Aber man wird sich höflich entschuldigen, seinen Ärger besänftigen, und jeder geht seiner Wege. Die Besucher aus Asien werden bald in der Menge verschwunden sein. Es wird sein, als wäre nichts passiert. Ein paar Minuten später wird es dem Engländer plötzlich schlecht gehen. Bis er stirbt, haben meine Leute das Gelände schon verlassen. Bis eine Autopsie ergibt, dass der Herzanfall des Engländers durch Gift ausgelöst wurde, werden alle Beteiligten außer mir ausgereist sein. Ich selbst bin natürlich nicht verdächtig. Denn warum sollte ein erfolgreicher Unternehmer sich so weit erniedrigen, einen ihm wildfremden Menschen umzubringen?Und sollte jemand nachfragen, so habe ich ein Dutzend Zeugen, die meine Anwesenheit bei einer Konferenz, die den ganzen Tag gedauert hat,
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