Samuel Koch - Zwei Leben
Nichtraucher.
Trotzdem: Meine Eltern haben in dieser Zeit einiges mit mir mitgemacht. Ohne Krach ging es bei uns nicht ab. Wenn ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, gab es Reibereien. âSamuel hat eine ziemlich anstrengende Phase der Ablösung von mir gehabt!â, drückt sich meine Mutter noch freundlich aus. âDa hat man seine Lust am Erproben der Grenzen deutlich gespürt!â
Mein Papa erinnert sich an eine Gelegenheit, bei der ich einmal aus lauter Bequemlichkeit mit der Wahrheit deutlich groÃzügiger umgegangen bin, als es angebracht gewesen wäre: âIch habe Samuel damals gesagt, dass er die Wahrheit sagen soll oder nichtsâ, erzählt mein Vater noch heute. âUnd ich glaube, das hat ihm zu denken gegeben. Seit diesem Tag konnten wir sicher sein, dass wir uns gegenseitig nicht anlügen!â
Vieles von dem, was ich damals getrieben habe, haben meine Eltern praktischerweise allerdings gar nicht so richtig mitbekommen â oder erst dann, wenn schon alles gelaufen war (oder wenn Chris gepetzt hat).
Mit 16 kaufte ich mir einen Roller. Mit dem konnte ich endlich meine vielfahrende Mutter, die uns Kinder in alle Himmelsrichtungen zum Training, zum Musikunterricht und zu Tanzstunden kutschieren musste, ein wenig entlasten. Dachte ich. Und irgendwann sollte mein Bruder den Roller dann einmal erben. Dazu kam es aber leider nie.
âZwei Motorroller und drei Autos hat Samuel geschrottetâ, erinnert sich Mama. Gab es deswegen Ãrger? âNur bedingt â wir waren ja froh, dass dem Jungen nichts Schlimmes passiert war!â
Vielleicht habe ich damit sogar unabsichtlich Menschen an das Gebet herangeführt, wie mir eine Klassenkameradin bescheinigt: âSamuel ist einfach ein toller Chaot!â, sagte Catrin über meinen Fahrstil. âWenn er mich mit seinem Auto mitgenommen hat und ich heil zu Hause angekommen war, dann wusste ich jedes Mal: Es gibt sie wirklich, die Schutzengel!â
Manchmal frage ich mich, wie dick das Fell meiner Eltern zu dieser Zeit gewesen sein muss, dass sie noch ruhig schlafen konnten. âWir konnten gar nicht ruhig schlafen!â, wirft hier meine Mutter ein. âSamuel suchte von Anfang an das Risiko. Ich war wohl so dominant, da hat er sich anfangs nicht getraut, sich gegen mich aufzulehnen. Das kam erst später. Und Samuel tat es gründlich â mit seiner grenzenlosen Risikobereitschaft, die mich stets in Angst und Schrecken versetzte!â
Gefährliche Begegnung
Auch andere Gefahrensituationen blieben nicht aus. Ich war mal mit zwei Freunden nach einem Skate-Ausflug â der schon erwähnte, bei dem sich mein Freund Alex am Kopf verletzt hatte â abends noch unterwegs. Im Zug kam es zu einer Pöbelei. Alex, der eine frisch genähte Wunde am Hinterkopf hatte, wurde plötzlich von einer Gruppe junger Leute âmit Migrationshintergrundâ angemacht.
Ich mischte mich freundlich ein: âKommt, lasst ihn in Frieden. Er musste heute schon am Hinterkopf genäht werden und braucht nicht noch ein Problem.â
Mein Schlichtungsversuch nützte nichts. Ehe ich den Satz überhaupt zu Ende bringen konnte, spürte ich die Wucht einer Faust im Gesicht. Zwei meiner Schneidezähne bohrten sich durch meine Unterlippe. Aber ich hielt mich zurück und zog meinen Freund mit mir. âKomm, wir gehen!â Mit einem Taschentuch, das ich mir auf den Mund presste, stillte ich die Blutung. Doch damit war die Sache leider nicht erledigt.
An der Station, an der wir ausstiegen, pöbelten die Typen uns noch weiter an. Dann ging alles ganz schnell: Ich bekam plötzlich einen Schlag in den Nacken, und von vorne kamen noch weitere Angreifer auf mich zu. Später stellte sich heraus, dass sie zu acht auf mich eingeprügelt hatten.
Ich verteidigte mich, schlug zwei von ihnen zu Boden und lief davon. Die Polizei betrachtete meine Handlungsweise als Notwehr. Dennoch befürchteten die Beamten im Nachgespräch Racheakte von der ihnen schon bekannten Gruppe und gaben mir den Rat, in den nächsten Monaten gröÃere Veranstaltungen zu meiden und spätabends nicht mehr mit der Bahn zu fahren.
Die Sache hat sich rumgesprochen: âDer Samuel Koch hat den XY umgehauenâ â das hat mir neben einigem Ãrger auch Respekt verschafft.
âWenn ich auf die Zeit damals zurückblicke, war er ein ziemlich facettenreicher Freundâ, sagt Chris. âDer
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