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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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Momenten ein gesundes Maß an Humor an den Tag zu legen, das haben mir schon mein Vater und mein Großvater vorgelebt.
    Ringelnatz hat mal gesagt: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt.“ Da ist viel Wahres dran. Viele Menschen in ähnlichen Situationen verstecken sich aber auch, ebenso wie ich, ein Stück weit hinter dem einen oder anderen Witz.
    â€žJeder muss mal den Löffel abgeben!“,stellte ich bei einem Stadt- und Esstraining in Luzern fest, einem Ausflug für Patienten der Klinik, bei dem das Bewältigen von Alltagshindernissen geübt wurde und bei dem ich den an meine Hand geschnallten Eislöffel verlor.
    â€žAuf meine liebevoll gemeinte Bemerkung, dass ich froh bin, dass er den Unfall überlebt hat, habe ich von Samuel prompt die passende Antwort kassiert!“, erinnert sich mein Vater. „ Ich habe das zwar überlebt, aber überlebt habe ich es noch lange nicht!“

Damaris (Pflegefachfrau in Nottwil):
Das eigentlich Erstaunliche an Samuel war, dass er trotz der extrem schwierigen Zeit nie seinen Humor verlor. Mir fällt spontan eine Situation ein, als ich eines Morgens mit dem Frühstück ins Zimmer kam. Er konnte durch noch unwillkürliche Bewegungen der Schulter erstmals seinen linken Unterarm hochbewegen und schlug sich dabei beinahe seine Hand, die in einer harten Schiene lag, ins Gesicht. Trocken bemerkte er: "Oh, jetzt habe ich mich fast erschlagen ..." Nun lag der Unterarm neben dem Kopf, und Samuel versuchte, ihn wieder runterzukriegen. Dabei kratzte er mit der Schiene an seinem Kopf entlang. Ich fragte ihn, ob er mit Essen beginnen wolle. Die Antwort kam ebenso trocken wie die Bemerkung zuvor: "Nein, ich kann gerade nicht. Ich muss mich am Kopf kratzen."

Die Kraftquelle
    Woher ich die Kraft für meinen täglichen Kampf nehme, wurde ich im Januar 2012 in einem Gottesdienst in Hannover gefragt. Ich antwortete, dass ich das gar nicht so genau sagen kann: „Rückblickend weiß ich gar nicht, wie ich das alles überstanden habe. Aber Gott gibt Kraft für jeden einzelnen Tag.“
    Ich kann es meist nicht an bestimmten Ereignissen festmachen, aber irgendwie ist sie doch jeden Tag da gewesen, die Kraft, die ich brauchte.
    Manchmal fragte ich mich: Wo ist Gott eigentlich? Er lässt zu, dass ich in einer solchen Situation stecke, er hat anscheinend im Moment nicht vor, etwas daran zu ändern, und dann sagt er noch nicht einmal was?! Gibt es ihn überhaupt?
    Oder muss ich vielleicht genauer hinsehen, um Gott zu entdecken? „Wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan“ (Lukas 11,10).
    Mit der Zeit habe ich angefangen zu sehen, dass mir in meiner miesen Lage auch viel Gutes widerfuhr: das Zwerchfell, das mich überraschend selbstständig atmen ließ, meine kinderliedersingende Mama, mein abgeklärter, liebevoller Papa; Chris und andere Freunde, die mir zur Seite standen, mein Direktor, der mir die Immatrikulation für die nächsten zwei Jahre zusicherte, ganze Schulklassen, die für mich sangen, mein klavierspielender Bruder, der Orthopäde und viele Pfleger und Schwestern, die sich als Christen outeten und mit ihren Familien für mich beteten, das herrliche Wetter, eine Kopfmassage, die Massen von alten, neuen, wiedergewonnenen, unbekannten Freunden und so weiter. Die Liste ist beinahe endlos weiterzuführen.
    Die Länge dieser Dankbarkeitsliste hat mich wirklich überrascht, und es half mir immer wieder, mir all das vor Augen zu halten, auch wenn ich mich oft erst dazu motivieren musste.
    Dann gab es da diese Momente, wenn ich allein auf dem Balkon saß und unerklärlich guter Laune war. In meinem reduzierten Zustand habe ich ganz neu gelernt, die Schönheit der Natur um mich herum wahrzunehmen. Die grandiosen Alpen, der See vor der Klinik, die Wiesen mit den Heidschnucken darauf – das alles schien mir auf einen kreativen und im Hinblick auf die Heidschnucken humorvollen Schöpfer hinzuweisen.
    Das soll nicht heißen, dass die Welt für mich in Ordnung war, wenn ich mich auf das Gute um mich herum konzentrierte. Aber mein Tunnelblick der ersten Wochen, der nur auf meine Wiederherstellung fokussiert gewesen war, begann sich ganz langsam zu erweitern.
    Irgendwie habe ich es bis hierher geschafft, ohne komplett durchzudrehen, mich aufzugeben oder zu verzweifeln. Und ich glaube, dass diese Kraft nicht aus mir selbst gekommen ist, sondern dass

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