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Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen

Titel: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesc Miralles
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zu trinken und drei Schachteln Zigaretten zu rauchen. Marilyns Trödelei brachte ihn nicht aus der Ruhe. Wenn sie eintraf, kniff er ihr nur in den Hintern und sagte: »An die Arbeit, meine Schöne.«
    Montgomery Clift für seinen Teil hatte sich, seit seinGesicht durch einen Unfall entstellt war, dem Alkohol und den Drogen ergeben. Abgesehen davon, dass er mit seiner Homosexualität nicht klarkam.
    Angesichts dieser desolaten Crew ließ John Hustons Interesse an der Arbeit nach, und er verbrachte jede Nacht im Casino. Um elf Uhr abends setzte er sich an den Spieltisch und ging um fünf Uhr morgens wieder nach Hause. Am Ende soll er so hohe Schulden gehabt haben, dass er die Dreharbeiten auf Eis legte und Marilyn in eine Entzugsklinik schickte, um Zeit zu gewinnen und sich aus dem ganzen Schlamassel zu befreien.
    Es war ein Wunder, dass der Film am 5. November 1960 tatsächlich fertiggestellt wurde. Alles in allem schien es eine enorme Strapaze gewesen zu sein, denn Clark Gable fiel am nächsten Tag einem Herzinfarkt zum Opfer. Marilyn starb wenig später an einer Überdosis. Um das Unglück komplett zu machen, war The Misfits auch noch ein Kassenflop.
    Am Ende dieses Ausflugs in die Filmgeschichte war in gekürzter Fassung das Gebet abgedruckt, das der Dichter Ernesto Cardenal für Marilyn Monroe verfasst hat:
     
    Herr / nimm dieses Mädchen auf, das die ganze Welt kannte als Marilyn Monroe / [...] / und das jetzt vor Dir steht, ohne jedes Make-up / ohne ihren Manager / ohne Fotografen, ohne Autogramme zu geben / einsam wie ein Astronaut vor der Nacht des Universums.

DER GEHEIME GARTEN
     
    Als ich am nächsten Tag erneut auf dem Weg zu dem Café an der Carrer Bergara war, galoppierten in meinem Kopf immer noch die wilden Pferde herum, die Marilyn im Film zu retten versuchte. Der Kinoabend hatte in mir die Lust geweckt, mir weitere Filmklassiker noch einmal anzuschauen, wofür ich jedoch leider keine Zeit hatte.
    Immerhin hielt mich die Erinnerung an Vittorio de Sicas Fahrraddiebe , ein Juwel des italienischen Neorealismus, davon ab, eine Dummheit zu begehen.
    Da ich im Grunde nicht daran glaubte, dass es sinnvoll war, sich erneut in dem Café auf die Lauer zu legen, hatte ich in meiner Verzweiflung tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, zu einem Wahrsager zu gehen, der mich auf Gabrielas Spur bringen sollte. Ich hatte mal gelesen, dass die Polizei in Entführungs- oder Vermisstenfällen mitunter Hellseher beschäftigt. Mit Hilfe eines Pendels können diese dann beispielsweise den möglichen Aufenthaltsort einer vermissten Person ausfindig machen.
    Dann aber war mir eine Szene aus den Fahrraddieben eingefallen. Als dem Protagonisten sein Rad gestohlen wird, das er fürs Plakatekleben – seinen einzigen Lebensunterhalt – braucht, sucht er eine Wahrsagerin auf, dieihm helfen soll, es zurückzubekommen. Der arme Junge gibt sein letztes Geld aus, um die spektakuläre Antwort zu erhalten: »Entweder du findest es bald, oder du findest es niemals mehr.«
    Das Café war definitiv die bessere Variante.
     
    Als ich mich dem Café näherte und von Weitem an einem der Tische eine Gestalt erkannte, wurde mir flau im Magen. Bloß das nicht, dachte ich. Der schwarze Hut und der weiße Schal ließen keinen Zweifel: Es war der komische Kauz vom Tag zuvor.
    Einen Augenblick lang dachte ich daran, auf dem Absatz kehrtzumachen und diesen Ort in Zukunft zu meiden. Doch der Bärtige schien so sehr in sein Manuskript vertieft, dass er meine Anwesenheit vielleicht nicht einmal bemerken würde. Und tatsächlich, als ich erneut an dem mittleren Tisch Platz nahm, hob er nicht einmal den Blick. Erleichtert atmete ich auf. Ich bestellte einen Vermouth, den ich sicherheitshalber direkt bezahlte. Falls Gabriela die Ampel in Richtung Eisenbahnladen überquerte, könnte ich sofort aufbrechen.
    An jenem Donnerstagmittag schien der Lärm der Autos und Fußgänger lauter als gewöhnlich, sodass ich mich bei meiner Detektivarbeit voll konzentrieren musste. Ich war so sehr mit den Leuten beschäftigt, die an mir vorübergingen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, dass der Bärtige gegangen war und sein Manuskript auf dem Tisch hatte liegen lassen.
    Es wäre richtig gewesen, das Buch dem Kellner zu geben. Der Mann war vermutlich ein Stammgast in dem Café, also würde er es bald wiederbekommen. Doch als ich es in der Hand hielt, konnte ich es mir nicht verkneifen, einen Blick hineinzuwerfen. Ob aus Neugier oder vielleicht auch einfach aus

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