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Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen

Titel: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesc Miralles
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    Dharma
    Welches ist mein Ort im Universum? Welches ist die beste Art mein Leben zu leben? Wie kann ich die richtigen Antwortenauf diese Fragen finden? Die spirituellen Traditionen der Welt sind dem Bedürfnis der Menschen geschuldet, Antworten auf diese Fragen zu finden.
     
    Weiter unten stand etwas über den Roman The Dharma Bums von Jack Kerouac, den ich vor langer Zeit einmal gelesen hatte. Dieser Klassiker der Beat-Literatur hatte den Verfasser des Wörterbuchs zu der folgenden Überlegung inspiriert:
     
    Den eigenen Dharma zu erlernen und zu befolgen heißt nicht, einen Gott oder eine Lehre blind zu akzeptieren; vielmehr bedeutet es anzuerkennen, dass die richtige Art zu leben zur Erleuchtung aller fühlenden Wesen führen wird, dass also jeder Mensch seine ganz eigene Möglichkeit hat, die Wahrheit zu entdecken.
     
    Das Klingeln an der Haustür verkündete die Ankunft von Meritxell, und ich klappte das Buch zu. Glücklicherweise war nicht mit Valdemar zu rechnen, denn ich vermutete, er würde seinen heimlichen Unterschlupf die nächsten Tage nicht zu verlassen wagen.
    Ich öffnete die Wohnungstür und erwartete Meritxell an der Schwelle. Ihr kleines Köfferchen in der Hand und verblüffend guter Laune, trat die Tierärztin ein. Sie hatte Lidschatten aufgelegt und die kurzen Haare mit einem Haargel bearbeitet. Man sollte natürlich schönen Frauen verbieten, Kosmetika zu verwenden.
    Ermutigt durch ihre gute Laune begrüßte ich sie mit einer scherzhaften Bemerkung:
    »Es gibt zwei Nachrichten: eine gute und eine schlechte. Welche willst du zuerst?«
    »Die schlechte. Man muss immer mit der schlechten anfangen«, lachte sie.
    »Ich finde die Katze nicht. Sie hat sich doch wieder versteckt.«
    »Okay, das ist ja kein Weltuntergang. Und welches ist die gute Nachricht?«
    »Es gibt heiße Schokolade und Biskuit.«
    »Gegen Schokolade bin ich allergisch. Aber ich leiste dir gerne auch so ein bisschen Gesellschaft. Ich kann eine Pause gut brauchen!«
    Sie setzte sich auf dieselbe Seite des Sofas, auf der Valdemar seinen nächtlichen Vortrag gehalten hatte. Auch Mishima lag normalerweise dort. Die Seite musste irgendeine besondere Anziehungskraft besitzen.
    Während ich die Milch für den Kakao erhitzte, beobachtete ich aus dem Augenwinkel die schöne Tierärztin. Sie fuhr sich ein paarmal durchs Haar und sah sich im Wohnzimmer um. Sie machte einen entspannten und irgendwie erwartungsvollen Eindruck.
    Ich stellte Schokolade und Biskuit auf den Tisch und rückte meinen Sessel näher heran. Natürlich hätte ich mich neben sie aufs Sofa setzen können – es war reichlich Platz für zwei –, aber ich wollte nichts überstürzen. Womöglich hatte ich auch ihre Zeichen falsch gedeutet, und Meritxell war gar nicht an einem Flirt interessiert.
    Ich setzte mich also in sicherem Abstand hin und ließ die Dinge auf mich zukommen. Es war einfach nett, in ihrer Gesellschaft meine Schokolade zu trinken.
    »Ich wohne auch allein«, sagte sie und nahm den Orangensaft entgegen, den ich ihr anbot. »Ich habe jahrelang in WGs gewohnt, aber jetzt brauche ich Raum für mich.«
    »Ich war immer genau derselben Meinung«, erklärte ich. »Aber seit Jahresanfang sind die Dinge für mich irgendwie komplizierter geworden – ohne dass ich es darauf angelegt hätte.«
    »Wie meinst du das?«
    Ich war kurz davor ihr von der Liebe im Kleinen zu er zählen, doch ich wollte sie nicht langweilen und hielt mich zurück.
    »Sagen wir mal so, meine Einsamkeit ist eine ziemlich laute«, antwortete ich, »wie in dem Roman von Hrabal.« »Wer ist Hrabal?«
    »Ein tschechischer Schriftsteller. Entschuldige, wir Literaturwissenschaftler haben die blöde Angewohnheit, ständig irgendwelche literarischen Anspielungen zu machen. Das ist wirklich idiotisch.«
    »Wieso ist das idiotisch?«, erwiderte Meritxell. »Es ist immer gut, Neues zu erfahren.«
    »Bis zu einem gewissen Punkt schon, aber zu viel Wissen kann gefährlich werden. Valdemar ist der beste Beweis dafür.«
    »Wer ist Valdemar?«
    »Das willst du gar nicht wissen.«
    »Wenn es nach dir ginge, soll wohl niemand irgendetwas wissen!«
    »Na ja, Buddha hat gesagt, das Wissen soll sein wie eine Fähre: Es ist gut, um ans andere Ufer zu gelangen, aber wenn man einmal da ist, ist es absurd, es weiter mit sich herumzuschleppen. Weißt du, was ich meine?«
    »Jetzt redest du in Buddhas Worten!«
    »Da siehst du es. Ich bin unverbesserlich. Das meine ich eben: Ich muss das Gelernte wieder

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