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Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen

Titel: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesc Miralles
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Handelsschulefand ich einen Weg und machte mich ohne zurückzuschauen an den Aufstieg. Nach etwa zwanzig Minuten wichen die Luxusapartments kleineren und größeren Einfamilienhäusern. Danach kam noch die eine oder andere baufällige Villa. Dann nur noch der Wald.
    Erschöpft von dem Marsch, setzte ich mich unter ein paar Kiefern, die sich unter der Last ihrer Äste neigten. Zum ersten Mal seit Stunden kam ich ein wenig zur Ruhe. Es war ein befreiendes Gefühl, die Stadt zu meinen Füßen zu sehen und, selbst wenn nur für wenige Minuten, zu wissen, dass ich nicht mehr Teil von ihr war.
    Von der Höhe meines Beobachtungspostens aus kam mir all mein Wünschen mit einem Mal ganz und gar bedeutungslos vor. Während ich die nach Harz duftende Luft einsog, senkte sich die Sonne langsam und unerbittlich auf den Horizont herab. Die Ruhe, die sich langsam in meinem Innern ausgebreitet hatte, ließ mich bald auch einige halbwegs klare Gedanken fassen.
    Dieser Frau den Geburtstag zu verderben hast du auf jeden Fall geschafft, sagte ich mir. Jetzt geh nach Hause und sieh zu, dass du dir auf dem Weg nicht auch noch den Hals brichst.

 
     
     
     
     

DAS VERSCHWINDEN
    Der Abstieg war weitaus weniger beschwerlich. Es war bereits stockdunkel, als ich zu Hause ankam, nicht ahnend, dass mich die bizarrsten vierundzwanzig Stunden meines Lebens erwarteten.
    Ich hätte ins Kino gehen können, um mich abzulenken, doch ich war zu müde, um einem Film folgen zu können. Vielleicht wäre es das Beste, mich ins Bett zu verkriechen und alles zu vergessen.
    Ich schleppte mich die Treppe hinauf, in der Hoffnung, auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Gabriela vorzufinden. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder sie erkundigte sich, wie es mir ging – was sehr freundlich von ihr gewesen wäre –, oder sie machte mir klar, dass ich mich gefälligst nie wieder bei ihr melden solle.
    Es war keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, ich war gekränkt. War es ihr etwa egal, dass ich litt?
    Ich stellte mich unter die Dusche, damit das Wasser meine Tränen durch den Abfluss wegspülte. Ich wollte die Traurigkeit möglichst weit von mir fortschicken, damit ich zu meiner tristen Einsamkeit zurückkehren konnte.
    Ziemlich niedergeschlagen trat ich vor den Spiegel und kämmte mir die Haare. Zu meinem Missfallen entdeckte ich dabei auch noch ein weiteres Dutzend graue Haare.
    Wie schnell die Zeit vergeht, dachte ich, ließ mich aber nicht mehr dazu herab, die Haare auszureißen. Die Sache mit den 650000 Stunden interessierte mich nicht mehr; ich würde meinen Lebenskredit an jemanden verschenken, der damit etwas anzufangen wusste.
    Mir etwas zu essen zu machen hatte ich keine Lust, al so räumte ich noch ein bisschen die Wohnung auf, während Mishima mir aufmerksam zusah. Erneut stolperte ich über Valdemars Rucksack, und eine üble Vorahnung beschlich mich.
    Wie konnte es sein, dass er nicht zurückgekommen war, um die Tasche zu holen? Wenn er sich nun im Rausch den Kopf angeschlagen hatte und schwer verletzt dort oben lag?
    Meine Unruhe wollte mich nicht loslassen. In Pyjama und Hausschuhen stieg ich die Treppe hinauf und drückte zweimal auf die Klingel. Nichts. Ich brauchte eine ganze Weile – inzwischen hatte ich ein drittes Mal geklingelt –, bis ich merkte, dass die Tür nur angelehnt war. Ängstlich und unsicher, was für eine Katastrophe ich vorfinden würde, stieß ich die Tür auf. Ich schaltete das Licht ein und war überrascht, dass alles unversehrt schien. Der Schlüssel steckte von innen im Schloss. Ich zog ihn ab und steckte ihn in die Tasche, bevor ich die Tür schloss und mich weiter umschaute.
    Zitronenduft stieg mir in die Nase. Offenbar hatte Valdemar geputzt. Wohn- und Arbeitszimmer waren perfekt aufgeräumt und sauber, der Laptop stand auf demTisch, auf dem nicht ein einziges Staubkörnchen zu sehen war. Nur der Blick in die Küche beunruhigte mich. Auf einem Stativ mitten im Raum war ein großes Teleskop montiert, das durch das offene Fenster bis nach draußen reichte und schräg nach oben gen Himmel gerichtet war.
    Laut nach Valdemar rufend lief ich durch die Wohnung. Während ich Zimmer und Schränke nach Hinweisen durchsuchte, fiel mir die Metallkiste ein, die er in der Nacht dabeigehabt hatte, als er angekommen war. Zweifellos war darin das Teleskop gewesen. Ausgeschlossen, dass er einfach gegangen war und das Teleskop dagelassen hatte. Es sei denn, etwas hatte ihn zur sofortigen Flucht gezwungen.
    Der Wanderer über

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