Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
verursachte ihm zugleich Herzklopfen. Akiko wirkte vornehm wie eine Dame und strahlte zugleich eine Autorität aus, wie Jack sie noch nie bei einem Mädchen erlebt hatte. Der junge Samurai Taka-san gehorchte ihr aufs Wort und die Hausangestellten verbeugten sich vor ihr besonders tief.
Zu seiner Überraschung war Jack für seine Flucht nicht bestraft worden. Die Angestellten schienen mehr besorgt als wütend, vor allem der Gärtner Uekiya, und Jack hatte ein schlechtes Gewissen, dass er den Alten so in Aufregung versetzt hatte.
Nach dem Essen führte Akiko Jack auf die Veranda hinaus und sie setzten sich im letzten Licht der Abendsonne auf dicke Kissen. Stille hatte sich wie eine weiche Decke über das Dorf gesenkt. Jack hörte das Zirpen der ersten Grillen und das Plätschern des Bachs, der sich durch Uekiyas Garten schlängelte.
Akiko schien den Frieden zu genießen und zum ersten Mal seit Tagen ließ Jacks Wachsamkeit ein wenig nach.
Da sah er Taka-san lautlos und mit der Hand am Schwert in einer dunklen Ecke stehen und sofort kehrte seine Anspannung zurück. Man ging kein Risiko mehr ein. Jack wurde jetzt bewacht.
Eine Tür glitt auf und Chiro erschien mit einem lackierten Tablett, auf dem ein schöner Topf und zwei kleine Tassen standen. Sie stellte das Tablett auf den Boden und schenkte sorgfältig ein heißes, grünes Wasser in die Tassen. Die Flüssigkeit erinnerte Jack an Tee, ein neues Modegetränk, das niederländische Händler aus China nach Holland eingeführt hatten.
Chiro reichte Akiko mit beiden Händen eine Tasse und Akiko hielt die Tasse Jack hin.
Jack nahm sie entgegen und wartete darauf, dass auch Akiko ihre Tasse nahm, doch sie bedeutete ihm, zuerst zu trinken. Zögernd nippte er an dem dampfenden Getränk. Es schmeckte nach gekochtem Gras und war so bitter, dass er eine Grimasse unterdrücken musste. Akiko trank nach ihm aus ihrer Tasse. Eine stille Zufriedenheit breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Einige schweigende Minuten vergingen, dann nahm Jack seinen ganzen Mut zusammen und stellte eine Frage.
Er zeigte auf den grünen Tee, der Akiko so gut zu schmecken schien, und sagte: »Wie heißt dieses Getränk?«
Eine kurze Pause entstand, in der Akiko überlegte, was seine Frage bedeutete. »Sencha«, antwortete sie schließlich.
»Sen-cha«, wiederholte Jack und versuchte sich die Lippenbewegungen und das Wort einzuprägen. Offensichtlich musste er sich daran gewöhnen, auch in Zukunft sencha zu trinken.
»Und das?« Er zeigte auf die Tasse.
»Chawan«, sagte Akiko.
»Chawan«, sprach Jack nach.
Akiko klatschte in die Hände, zeigte auf weitere Gegenstände und sagte dazu ihre japanischen Namen. Sie schien Gefallen daran zu finden, Jack in ihrer Sprache zu unterrichten, und Jack war erleichtert, dass zum ersten Mal jemand versuchte, sich richtig mit ihm zu unterhalten. Er fragte nach immer neuen Wörtern, bis ihm der Kopf schwirrte und es Zeit zum Schlafengehen war.
Taka-san begleitete ihn zu seinem Zimmer und schloss die Schiebetür hinter ihm.
Jack legte sich auf seinen Futon. Doch er konnte nicht einschlafen. Ständig gingen ihm japanische Wörter durch den Kopf und die verschiedensten Gefühle ergriffen ihn. Im Zimmer war es dunkel, aber durch die Wände schienen weich die Laternen, die nachts draußen brannten. Ein Hoffnungsschimmer stahl sich in sein Herz. Wenn er die Sprache lernte, konnte er in diesem seltsamen Land überleben. Vielleicht konnte er auf einem japanischen Schiff anheuern und in fremden Häfen nach englischen Seglern Ausschau halten. Vielleicht hatte das Schicksal ihm Akiko geschickt. Vielleicht konnte sie ihm eines Tages helfen, nach Hause zurückzukehren!
Ein Schatten wanderte draußen an der Papierwand entlang. Taka-san war noch auf und bewachte ihn.
Am folgenden Tag hatte Jack gerade seinen frühmorgendlichen Spaziergang durch den Garten beendet, da rannte Jiro um die Ecke der Veranda.
»Kinasai!«, rief er und zerrte Jack zum vorderen Eingang des Hauses.
Jack konnte kaum mit ihm Schritt halten.
Vor dem Haus warteten Akiko und der Samurai Taka-san. Akiko trug einen schimmernden elfenbeinfarbenen, mit dem Bild eines fliegenden Kranichs bestickten Kimono. Als Sonnenschutz hielt sie sich einen karmesinroten Schirm über den Kopf.
»Ohay ō gozaimasu, Jack«, sagte Akiko mit einer anmutigen Verbeugung.
»Ohay ō gozaimasu, Akiko.« Auch Jack wünschte ihr einen guten Morgen.
Akiko schien über seine Antwort erfreut. Sie gingen den Weg zum Hafen
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