Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
erhellte den Winterhimmel und Jack konnte die Äste des Kirschbaums erkennen, die sich schwarz von der weißen Landschaft abhoben. Der Pfeil des Samurai steckte noch im Stamm des Baums, eine Erinnerung daran, dass Drachenauge irgendwo da draußen unterwegs war und sein Buch stehlen wollte. Jack fröstelte in der morgendlichen Kühle.
»Guten Morgen, Jack-kun.«
Uekiya kam auf ihn zugeschlurft und verbeugte sich tief.
»Guten Morgen, Uekiya-san, was tun Sie so früh schon im Garten?«
»Nimm bitte dieses bescheidene Geschenk, Jack-kun.«
Der Alte gab ihm ein kleines Holzkistchen mit einem Tragegriff und öffnete den Deckel. In dem Kistchen stand eine kleine Topfpflanze.
»Was ist das?«, fragte Jack.
»Ein Bonsai«, erklärte Uekiya, »ein kleiner sakura -Baum wie der, unter dem du im Garten immer sitzt.«
Jack betrachtete die Pflanze. Es handelte sich um einen perfekt ausgeformten Kirschbaum, der allerdings nicht viel größer als die Spanne seiner Hand war.
»Er blüht im April«, erklärte Uekiya zärtlich. »Seine Blütezeit ist kurz, aber schön. Wie das Leben.«
» Arigat ō , Uekiya-san. Leider habe ich kein Geschenk für dich.«
»Das ist auch nicht nötig. Deine Freude an meinem Garten war mein Geschenk. Mehr kann ein alter Gärtner sich nicht wünschen.«
»Jack-kun!« Hiroko eilte aus dem Haus. »Jack-kun! Spute dich. Ihr müsst los.«
»Wenn du in Kyoto diesen Bonsai betrachtest, denkst du an den alten Uekiya und seinen Garten?«
»Das werde ich«, versprach Jack und verbeugte sich zum Dank. Er merkte plötzlich, dass er den Garten vermissen würde – die hölzerne Brücke über den Bach und den kleinen Wasserfall, am meisten aber den schützenden Schatten des Kirschbaums.
Hiroko begleitete ihn zur Vorderseite des Hauses. Jack warf einen letzten Blick über die Schulter und sah, wie der Alte zum Zeichen seiner Achtung in einer tiefen Verbeugung verharrte. Bewegungslos stand er da wie im Boden verwurzelt.
»Wie pflege ich den Bonsai?«, rief Jack ihm zu.
Uekiya blickte auf. »Beschneide und wässere ihn täglich ein wenig, doch nicht zu viel …« Der Rest seiner Worte ging verloren, als Jack um die Hausecke bog.
Hiroko führte ihn durch das Eingangstor. Davor hatte sich ein Trupp Samurai versammelt. Letzte Vorbereitungen für die Reise wurden getroffen. Jack sah, wie Yamato auf ein Pferd an der Spitze der Kolonne neben seinem Vater stieg.
»Warte einen Augenblick, Jack-kun«, sagte Hiroko und verschwand im Haus.
Sie kehrte fast sofort mit einem sorgfältig eingepackten Kimono aus tiefroter Seide zurück.
»Den brauchst du für feierliche Anlässe und Zeremonien. Er trägt das Symbol des Phönix, das Familienwappen der Masamoto.« Abschiedstränen traten ihr in die Augen. »Unter Masamoto-samas Aufsicht bist du in Kyoto sicherer als hier.«
» Arigat ō , Hiroko-san«, sagte Jack. Er nahm den Kimono mit beiden Händen entgegen und bewunderte ihn. »Er ist wirklich wunderschön.«
Ein stämmiger Reiter mit buschigen schwarzen Augenbrauen und einem großen Schnurrbart, der aus den Nasenlöchern zu wachsen schien, näherte sich auf einem Pferd. Er trug einen dunkelbraunen Kimono und einen Reitmantel. Als er vor ihnen hielt, erkannte Jack ihn. Es war Masamotos getreuer Samurai Kuma-san.
»Jack-kun, du wirst mit mir reiten«, befahl er und klopfte auf den hinteren Teil seines Sattels.
Jack verstaute den neuen Kimono und den Bonsai in seiner Umhängetasche und steckte diese in eine leere Satteltasche. Kuma-san reichte ihm die Hand und Jack stieg auf. Der Samurai gab ihm einen dicken Mantel gegen die Kälte.
»Und vergiss nicht zu baden!«, ermahnte Hiroko ihn noch mit einem wehmütigen Lächeln.
Sie trabten nach vorn. Auch Jacks Augen wurden plötzlich feucht und er musste eine Träne wegzwinkern. Der Abschied von Toba fiel ihm schwer. Hier war er seit seiner Ankunft zu Hause gewesen und er wusste nicht, wann und ob er je zurückkehren würde. Er winkte Hiroko zum Abschied zu und sie verbeugte sich tief. Plötzlich fiel ihm ein, dass er Akiko gar nicht gesehen hatte. Wo war sie? Er musste sich auch von ihr verabschieden. Verzweifelt sah er sich um. Er konnte nicht mehr absteigen.
Endlich sah er sie hinter einer Gruppe berittener Samurai. Sie saß ebenfalls auf einem Pferd, dem weißen Hengst, mit dem Jack sie an jenem ersten Morgen in Japan gesehen hatte.
»Akiko!«, rief er. »Ich hatte schon Angst, ich könnte mich nicht von dir verabschieden.«
»Wieso willst du dich von mir
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