Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
Chiro zu retten.«
Hiroko unterdrückte ein Schluchzen und Masamoto bedeutete ihr, sich unauffällig zu entfernen. Alle wussten, wie sehr sie um ihre getreue Dienerin trauerte.
»Darf ich fragen, wie es Taka-san heute geht, Masamoto-sama?«, fragte Akiko.
»Den Umständen entsprechend gut, Akiko-chan. Die Wunde ist tief, aber man hat mir gesagt, er werde genesen. Dokugan Ryu ist ein fürchterlicher Gegner und Taka-san hat tapfer gegen ihn gekämpft.«
Masamoto musterte die drei Kinder.
»Er hatte allerdings Glück, dass ihr drei zur Stelle wart. Ihr habt dem bushido alle Ehre gemacht. Weißt du, was das ist, Jack-kun?«
»Nein, Masamoto-sama«, antwortete Jack und verbeugte sich, wie Akiko es ihm beigebracht hatte.
» Bushido bedeutet ›Weg des Kriegers‹, Jack-kun. Es ist der Verhaltensgrundsatz der Samurai. Er wurde nie aufgeschrieben, aber er regelt unser Leben. Man erkennt ihn nur an der Tat.«
Masamoto nahm einen Schluck Tee und fuhr dann fort.
»Die sieben Tugenden des Bushido sind Aufrichtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrhaftigkeit, Ehre und Treue. Gestern Abend habt ihr diese Tugenden durch euer Handeln gezeigt.«
Er ließ die Bedeutung seiner Worte nachwirken und die drei verbeugten sich tief zum Zeichen ihrer Dankbarkeit.
»Doch ich habe eine Frage, denn ich verstehe nicht, warum Dokugan Ryu wieder hier aufgetaucht ist. Ich kann nicht glauben, dass er noch im Auftrag der Feinde meines Daimy ō handelt. Dieser Fall ist erledigt. Ich habe alle für den Mordversuch Verantwortlichen eigenhändig getötet. Ich kann nur vermuten, dass er einen neuen Auftrag hat, weiß aber nicht, inwiefern dieser mit meiner Familie zusammenhängt. Hat Dokugan Ryu euch gegenüber eine Andeutung gemacht, warum er den Frieden dieses Hauses zu stören wagt?«
Jack schwieg, aber ihm war plötzlich unangenehm warm unter seinem Kimono. Er spürte Masamotos Blick auf sich. Sollte er verraten, was es mit dem Buch auf sich hatte? Chiro war wegen des Buches gestorben, doch sein Vater hatte ihn zu Stillschweigen verpflichtet. Nur das Buch konnte ihn eines Tages nach Hause bringen. Solange er nicht wusste, wer hinter ihm her war, wollte er niemanden in dessen wahren Inhalt einweihen, nicht einmal Masamoto.
»Jack …«, begann Yamato.
Akiko brachte ihn mit einem bösen Blick zum Schweigen. Wenn Jack etwas wusste, sollte er das Masamoto selbst sagen, nicht Yamato.
»Ja, Yamato?«
»Jack …« Yamato zögerte einen Moment. »Jack hat mir das Leben gerettet. Er hat mit seinem Übungsschwert einen Ninja besiegt.«
»Du kannst mit dem Schwert umgehen, Jack-kun?«, fragte Masamoto überrascht. Seine Frage nach Dokugan Ryu war vorerst vergessen. »Wirklich, du übertriffst meine Erwartungen. Ich habe von Anfang an gespürt, dass du einen starken Charakter hast und den Geist des Bushido in dir trägst.«
»Ich habe bei Yamato gelernt, Masamoto-sama«, sagte Jack. Er wollte Yamato die Möglichkeit verschaffen, seinen Vater zu beeindrucken. Außerdem wollte er das Gespräch von dem Buch weglenken.
»Ausgezeichnet. Aber Yamato ist kein Lehrer.« Masamoto sagte es ohne böse Absicht, doch er verletzte Yamato mit seiner Bemerkung zutiefst in seinem Stolz.
Yamato tat Jack leid. Er schien es seinem Vater nie recht machen zu können. Sein eigener Vater hatte Jack immer sofort für seine Erfolge gelobt. Wie stolz er jetzt auf mich gewesen wäre, dachte Jack traurig. Er hatte einen Ninja besiegt!
»Jack-kun, du hast dich würdig gezeigt, den Weg des Kriegers zu beschreiten. Ich beschließe deshalb, dass du an der Niten Ichi Ry ū , meiner ›Schule der beiden Himmel‹, ausgebildet wirst. Was immer Dokugan Ryu will, unter meiner direkten Aufsicht bist du sicherer. Wir brechen morgen nach Kyoto auf.«
22
Der Tokaido
Die Morgendämmerung hatte kaum eingesetzt, da wurde Jack durch Hufgetrappel und die knappen Befehle eines Samuraioffiziers geweckt, der mit seiner Truppe vor dem Haus hielt.
Jack sammelte seine wenige Habe ein – einen zweiten Kimono und Obi, ein zusätzliches Sockenpaar, Sandalen, sein Übungsschwert und, am wichtigsten, das Buch seines Vaters. Auch das Lexikon des Priesters legte er dazu, schließlich hatte er ihm versprochen, es bei Gelegenheit zu Pater Bobadilla nach Osaka zu bringen. Er steckte alles in eine Umhängetasche und vergewisserte sich noch einmal, dass der Portolan zuunterst lag, wo er vor neugierigen Blicken verborgen war. Dann trat Jack auf die Veranda hinaus.
Ein blasser orangefarbener Schein
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