Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
noch verbessern kann.« Sensei Yosa sah Akiko aufmunternd an.
Akiko trat an die Abschusslinie.
Jack hielt die Luft an. Akiko stellte sich zurecht, legte die Hand an die Bogensehne, packte den Griff des Bogens und versuchte langsamer zu atmen. Jack sah, dass ihre Hände ein wenig zitterten. Doch dann trat eine eiserne Entschlossenheit in ihr Gesicht. Ganz ruhig stand sie da, hob den Bogen über den Kopf, senkte ihn langsam wieder und spannte ihn. Jack sah, wie Emi hoffte, dass Akiko danebenschießen würde. Wie sollte Akiko auch die Mitte der Scheibe treffen? Das Ziel sah winzig aus.
Akiko spannte den Bogen vollends und schoss. Der Pfeil sauste durch die Luft und traf die Scheibe einen Daumen breit näher an der Mitte als der von Emi. Jack stieß einen Freudenschrei aus und die anderen Schüler fielen sofort ein.
Akiko strahlte in einer Mischung aus Freude und Staunen.
»Ausgezeichnet, Akiko«, lobte Sensei Yosa. »Ihr könnt euch setzen. Wer will als Nächster?«
Sofort meldeten sich einige andere Schüler, während eine mürrische Emi und eine überglückliche Akiko an ihre Plätze zurückkehrten und sich wieder hinknieten.
Jack sah zu, wie die Schüler nacheinander schossen.
Auch Kazuki und Nobu standen auf und wählten sich die größten Bogen, die sie an dem Gestell finden konnten, obwohl Sensei Yosa sie warnte und sagte, sie könnten die Bogen nicht spannen. Bei Nobu zeigte sich auch sofort, dass sie Recht hatte. Die Sehne rutschte ihm aus den Fingern und schnalzte gegen seine Wange. Nobu heulte vor Schmerzen auf und die anderen Schüler kicherten schadenfroh. Sogar Kazuki lachte über das Missgeschick seines Freundes.
Dann war Jack an der Reihe.
Er trat an die Linie, legte einen Pfeil auf und spannte den Bogen. Da traf ihn aus dem Nichts etwas im Gesicht. Jack erschrak und ließ die Sehne los. Der Pfeil flog unkontrolliert davon, prallte von einem großen, aufrecht stehenden Stein ab und flog auf Sensei Yosa zu, die an der Seite stand. Er landete unmittelbar vor ihren Füßen und durchbohrte den Rand ihres Zehensockens.
»Halt!«, rief Sensei Yosa.
Niemand rührte sich. Im Garten wurde es totenstill. Jack hörte das Scharren der Pfeilspitze, als Sensei Yosa sie aus dem Boden zog, und dann das Knirschen des Kieses, als die Lehrerin zu ihm kam.
»Jack-kun«, sagte sie leise, »habe ich dir erlaubt, schon zu schießen?«
»Es tut mir furchtbar leid, Sensei, aber es war nicht meine Schuld.«
»Bekenne dich zu deiner Verantwortung! Du bist der Bogen, du hast den Schuss abgegeben. Komm nach dem Unterricht zu mir, dann gebe ich dir deine Strafe.«
»Entschuldigen Sie, Sensei Yosa«, rief Yori ängstlich.
»Was ist, Yori-kun?«
»Jack konnte wirklich nichts dafür. Jemand hat mit einem Stein nach ihm geworfen.«
»Ist das wahr?«, wollte Sensei Yosa von Jack wissen. »Wer?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Jack, obwohl er eine ziemlich sichere Vermutung hatte.
»Yori? Wer war es?«
Der kleine Junge verbeugte sich und flüsterte aufgeregt Kazukis Namen.
Sensei Yosa verstand ihn nicht gleich. »Wer, Yori-kun?«
»Kazuki, Sensei …« Yori verstummte.
Kazuki fühlte sich verraten. Seine Augen blitzten wütend auf und er wollte auf Yori losgehen, blieb aber verdattert stehen, als Sensei Yosa losbrüllte.
»Kazuki-kun! Du kommst nach dem Unterricht zu mir und dann sprechen wir über deine Strafe. Bring mir die Pfeile von der Zielscheibe!«
Kazuki verbeugte sich rasch, rannte verschreckt zur Zielscheibe und zog an den Pfeilen. Er hatte gerade den ersten herausgerissen, da schwirrte ein Pfeil an seinem Ohr vorbei und nagelte den Ärmel seines Kimonos an die Scheibe. Er fuhr mit hervorquellenden Augen herum, den Mund in stummem Entsetzen aufgerissen.
»Wecke den Zorn einer Biene, Kazuki-kun, und sie greift dich mit der Macht des Drachen an!«, rief Sensei Yosa und legte einen zweiten Pfeil auf. »Das Bogenschießen ist für Schüler eine sehr gefährliche Kunst. Für Unsinn ist hier kein Platz. Hast du mich verstanden, Kazuki-kun?«
Noch ehe Kazuki wusste, wie ihm geschah, hatte sie den zweiten Pfeil abgeschossen. Der Pfeil streifte seinen Scheitel, fuhr zwischen seinen Haaren hindurch und bohrte sich in die Zielscheibe. Kazuki wand sich wie ein auf einem Haken aufgespießter Wurm und versuchte verzweifelt, die Demütigung zu beenden.
»Hai, Sensei Yosa! Moushiwake arimasen deshita!«, sprudelte es aus ihm heraus.
Jack empfand Schadenfreude über die wohlverdiente Strafe seines Widersachers.
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