Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
Vielleicht drangsalierte Kazuki ihn in Zukunft nicht mehr so leichtfertig.
Dankbar verbeugte er sich vor Yori, doch der Junge erwiderte die Verbeugung nicht. Er kniete nur mit ausdruckslosem Blick an seinem Platz und kaute ängstlich auf seiner Unterlippe.
31
Kazukis Krieg
Beim Abendessen fehlte Kazuki.
Jacks Anspannung ließ zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Kyoto nach. Offenbar war Kazuki noch mit der von Sensei Yosa verhängten Strafe beschäftigt. Sorge machte ihm nur, dass auch Yori nicht zum Essen erschienen war. Akiko sagte, sie sei ihm auf dem Weg zur Buddha-Halle begegnet, er sei vielleicht mit Sensei Yamada dort verabredet. Doch als das Essen begann, kam Sensei Yamada allein in den Speisesaal geschlurft.
Das Essen ging zu Ende. Yori war immer noch nicht aufgetaucht und Jack war inzwischen davon überzeugt, dass ihm etwas zugestoßen war. Seine Sorge wuchs, als er Nobu aus dem Speisesaal eilen sah.
»Ich mache mir Sorgen um Yori, Akiko. Er ist nicht zum Essen gekommen.«
»Ihm ist bestimmt nichts passiert, Jack. Wahrscheinlich meditiert er irgendwo. Ich habe ihn schon zu jeder Tageszeit in seinem Zimmer meditieren sehen. Er hat wunderbar nach Sandelholz duftende Räucherstäbchen. Einmal hat er mir eins geliehen …«
»Ich mache mir trotzdem Sorgen. Beim Bogenschießen heute Morgen hat er sich Kazuki bestimmt zum Feind gemacht.«
»Jack, Kazuki hat das Gesicht verloren, aber er würde es nie wagen, Yori etwas zu tun. Es wäre gegen seine Ehre.«
»Ehre? Was für eine Ehre? Mich überfällt er auch ohne Skrupel.«
»Stimmt, aber du bist …«, Akiko stockte verlegen, »… ein Gaijin, ein Ausländer. Er betrachtet dich nicht als ebenbürtig. Yori dagegen ist Japaner und stammt aus einer altehrwürdigen Samurai-Familie.«
»Aber Masamoto hat mich als seinen Sohn angenommen, also verdiene ich doch denselben Respekt …« Jack verstummte.
Er sah in Akikos Augen, dass er nicht ebenbürtig war und es auch nie sein würde. Nicht für Akiko und erst recht nicht für Kazuki. Er sah sich am Tisch um. Saburo und Kiku mieden seinen Blick höflich, Yamato erwiderte ihn kalt. Er fand sich offenbar noch immer nur deshalb mit ihm ab, weil sein Vater es befohlen hatte. Dabei hatte Jack ihm das Leben gerettet.
»Ehre gebührt also nur den Japanern, ja?«, fragte er herausfordernd. Akikos Gesicht fiel zusammen wie eine Schneewehe und sie verbeugte sich, um seinem wütenden Blick auszuweichen. »Dann erweist wenigstens Yori die gebührende Ehre und helft mir, ihn zu suchen.«
»Gute Idee«, sagte Saburo eifrig, um die Atmosphäre zu entspannen. »Vielleicht können Yamato und ich ihn im Garten suchen und Akiko und Kiku in der Halle der Löwen. Du kannst die Buddha-Halle übernehmen, Jack. Akiko hat bestimmt Recht und er meditiert nur irgendwo.«
Saburo sprang auf. Die anderen folgten seinem Beispiel und gemeinsam eilten sie aus der Halle der Schmetterlinge.
Es war eine kalte, sternklare Nacht und der Halbmond tauchte den Hof in gespenstisch bleiches Licht. Jack stieg die Treppe zum Eingang der Buddha-Halle hinauf.
Am liebsten hätte er den Mond angeschrien vor lauter Verbitterung darüber, in Japan festzusitzen. Unzufriedenheit brodelte in ihm wie kochendes Öl. Mit den meisten Dingen konnte er sich abfinden, sogar mit Kazuki. Aber was ihn besonders kränkte, waren Akikos Reaktion und die Erkenntnis, dass auch sie ihn als anders und unter ihr stehend betrachtete. Dabei hatte er geglaubt, sie seien Freunde geworden. Doch unter Freunden zählten solche Unterschiede nicht, im Gegenteil, sie schweißten sie nur fester zusammen.
Er lächelte freudlos. Jetzt klang er schon wie Sensei Yamada mit seinen weisen Sprüchen des Zen. Er schluckte seine Wut hinunter. Wenigstens hatte Yori sich für ihn eingesetzt. Hoffentlich hatte er sich damit keinen Ärger eingehandelt.
Auf der obersten Stufe angekommen, spähte er in die dämmrige Halle. Mondstrahlen überzogen den Boden wie das Gitter einer Zelle. Er wollte gerade Yoris Namen rufen, da hörte er eine gedämpfte Stimme. Sie klang zornig.
»Ich musste den ganzen Dreck aus den Toiletten im Garten ausbreiten«, sagte die Stimme. »Ich habe das Abendessen verpasst und ich stinke!«
»Das tut mir wirklich leid, Kazuki. Aber es war auch nicht richtig …«
Jack spähte um die Tür. Kazuki hatte sich vor dem zitternden Yori aufgebaut. Dahinter stand Nobu und warf einen mächtigen Schatten auf den Boden. Jack drückte sich flach an die Wand und schob sich im Schutz
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