Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
funkelten rachsüchtig.
»Partnerwechsel«, befahl Sensei Kyuzo.
»Guter Partner, Gaijin Jack«, sagte Kazuki verächtlich. Er ließ Jacks Handgelenk los und sah sich nach seinem nächsten Opfer um.
Jack schäumte. Er konnte sich nicht einmal revanchieren.
Nach dem Unterricht verließ Jack die Halle als Erster.
Akiko eilte ihm nach.
»Alles in Ordnung, Jack?«, fragte sie.
»Natürlich nicht!« Jacks ganze aufgestaute Wut brach aus ihm heraus. »Warum nimmt Sensei Kyuzo nicht jemand anders als Vorführobjekt? Er hat es auf mich abgesehen. Er ist genauso wie Kazuki und mag keine Gaijin.«
»Nein, das ist nicht wahr«, redete Akiko beruhigend auf ihn ein. »Das nächste Mal nimmt er bestimmt jemand anders. Außerdem ist es gut, der passive Partner zu sein. Masamoto meinte, auf diese Weise lerne man am meisten. Man weiß dann nämlich, wie der Griff sich anfühlen muss, wenn er richtig ausgeführt wird.«
Andere Schüler verließen den Butokuden und gingen an ihnen vorbei zum Mittagessen in die Halle der Schmetterlinge. Jack hörte sie kichernd »Gaijin Jack« sagen.
»Und warum nennen mich alle Gaijin Jack? Ich beschimpfe sie doch auch nicht!«
»Beachte sie einfach nicht, Jack«, riet Akiko. »Sie wissen es nicht besser.«
Aber sie sollten es besser wissen, dachte Jack. Sie sind doch alle Samurai.
30
Bogenschießen
Ein weißer Fleck, nicht größer als ein Auge, leuchtete in der Mittagssonne auf und der Schlag eines Tempelgongs breitete sich wummernd über die Dächer der Schule aus.
Ein Büschel Federn sauste mit der Geschwindigkeit eines im Sturzflug auf sein Opfer niedergehenden Jagdfalken durch die Luft, begleitet von einem durchdringenden, hohen Pfeifton. Ein dumpfer Laut, ähnlich einem einzelnen Herzschlag, ertönte und der Pfeil steckte exakt in der Mitte der Zielscheibe.
Im nächsten Augenblick schlug genau daneben ein zweiter Pfeil ein. Seine Federn zitterten.
Die Schüler klatschten Beifall. Sensei Yosa verharrte noch einen Augenblick in ihrer Haltung und ihre Konzentration war förmlich zu spüren. Dann senkte sie den Bogen und trat vor ihre Schüler.
»Die Kunst des Bogenschießens verlangt dem Samurai gleich mehrere Fähigkeiten ab – die Entschlossenheit des Kriegers, die Anmut des Tänzers und die geistige Ruhe des Mönches.«
Die Schüler hörten ihr aufmerksam zu. Sie hatten sich am Ende des Nanzen-niwa versammelt, des »Südlichen Zen-Gartens« hinter der Buddha-Halle – ein Garten von schlichter Schönheit. Er war um eine lange, rechteckige, sauber geharkte Fläche aus weißem Sand angelegt und mit großen Steinen und sorgfältig geschnittenen Büschen geschmückt. Am anderen Ende stand eine uralte knorrige, vom Wind gebeugte Kiefer. Ein Ast wurde wie der Arm eines gebrechlichen alten Mannes von einer hölzernen Krücke gestützt. Unter der Kiefer stand die Zielscheibe. Sie sah aufgrund der Entfernung nicht größer aus als Jacks Kopf und der weiße Punkt in der Mitte der beiden konzentrischen schwarzen Ringe war kaum zu erkennen.
»Der Bogen ist für den Kampf aus großer Entfernung am besten geeignet. Er kann in den Händen von Männern wie Frauen, Mädchen wie Jungen eine tödliche Waffe sein.«
Jack kniete neben Yamato und Akiko. Er bewunderte Sensei Yosa für ihre Schönheit und ihre Kunstfertigkeit beim Bogenschießen. Ein tödlicher Engel unterrichtete ihn.
»Alle Daimy ō werden in der Kunst des Bogenschießens unterrichtet, Takatomi Hideaki genauso wie Kamakura Katsuro oder Masamoto Takeshi selbst. Und natürlich beruht auch Tomoe Gozens legendärer Ruf auf dem Bogen.«
Akiko lauschte Sensei Yosas Worten wie gebannt. Die Erwähnung Tomoe Gozens freute sie besonders und Jack glaubte schon, sie würde gleich anfangen zu klatschen.
»Anders als das Schwert, die Faust oder der Fuß leistet der Bogen euch Widerstand. Ist er ganz gespannt, kann er schnell brechen!«
Die Schüler wechselten verblüffte Blicke. Nur Kazuki starrte in die Gegend und wirkte gelangweilt. Vielleicht war ihm Bogenschießen zu harmlos, dachte Jack.
»Die Kunst des Bogenschießens ähnelt einer Pyramide. Die höchsten Fähigkeiten ruhen auf einer breiten, festen Basis. Entsprechend Zeit braucht man für ein stabiles Fundament. In den nächsten Monaten werden wir uns diesem Ziel Schritt für Schritt nähern.« Sensei Yosa strich zärtlich über das gefiederte Ende des Pfeils, den sie zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. »Heute begnügen wir uns damit, ein Gefühl für den Bogen zu bekommen.
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