Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
verstoßen! Wo war deine Treue? Deine Höflichkeit? Habe ich dich nicht beschützt und dir dadurch gezeigt, dass du mir vertrauen kannst?«
Tränen standen ihm in den Augen. Die Vorstellung, dass Jack ihm nicht vertraut hatte und ihn womöglich nicht achtete, schien ihm am meisten zuzusetzen.
»Geh mir aus den Augen!«
Jack saß auf dem Ast der alten Kiefer in der Ecke des Südlichen Zen-Gartens. Es war Nacht. Niedergeschlagen trat er immer heftiger nach der hölzernen Stütze des Baums, bis die Äste wackelten.
Er blickte zum nächtlichen Himmel auf und wünschte sich, er möge ihn verschlucken. Nicht einmal die Sterne trösteten ihn. Sie erinnerten ihn nur daran, wie einsam und allein er war. Das Klima in Japan schlug um und Ausländer wie er waren nicht mehr willkommen. Er lebte in einem Land, das ihm feindlich gesinnt war, und hatte jetzt auch noch seinen einzigen Beschützer, Masamoto, vor den Kopf gestoßen und gegen sich aufgebracht.
Er konnte sich nirgends verstecken und nirgendwohin fliehen.
Drachenauge hatte das Buch seines Vaters schließlich doch noch in seinen Besitz gebracht.
Wie dumm er gewesen war! Er hatte versagt.
Er hatte das Versprechen gebrochen, das er seinem Vater gegeben hatte. Der Portolan war ihm gestohlen worden.
Er hatte seine kleine Schwester im Stich gelassen, denn er hatte das Erbe, das ihnen geblieben war, verloren, das Einzige, was ihm die Rückkehr nach England ermöglichen und ihrer beider Zukunft sichern konnte.
Er hatte seine Freunde im Stich gelassen, denn er war nicht fähig gewesen, sie zu beschützen.
Er hatte alles verloren, was ihm wichtig gewesen war.
Von Schluchzen geschüttelt, stützte er den Kopf in die Hände und überlegte, ob er die Schule gleich verlassen oder noch bis zum Morgen warten sollte.
»Es ist nicht alles verloren, Jack-kun. Verzweifle nicht.«
Jack hob überrascht den Kopf. Er hatte den Alten nicht kommen hören.
Auf seinen Stock gestützt sah Sensei Yamada Jack voller Mitgefühl an und wickelte nachdenklich die Spitze seines langen, strähnigen Bartes um den Finger.
»Ein nächtliches Unwetter, mehr nicht«, sagte er. Seine Stimme klang so gütig, dass Jack sich unwillkürlich ein wenig getröstet fühlte. »Masamotos Zorn wird sich legen und er wird dich wieder als Samurai anerkennen. Alles wird vergeben werden.«
»Aber wie kann er das? Ich habe ihn verraten«, schluchzte Jack. Die Worte gingen ihm durch und durch und er hatte das Gefühl, innerlich zu verbluten. »Ich habe ihn nicht geachtet, sein Vertrauen gebrochen und gegen den Geist des Bushido verstoßen.«
»Jack-kun, du zeigst diesen Geist mit allem, was du sagst und tust.«
Der Zen-Meister legte ihm fürsorglich die Hand auf den Arm. »Komm«, sagte er und führte Jack aus der dunklen Ecke in das bleiche Licht des zunehmenden Mondes. »Ein Spaziergang wird deine Gedanken klären.«
Jack ging blind und willenlos neben ihm her. Er war gar nicht richtig anwesend, hörte seinem Lehrer aber trotzdem zu.
»Ich kann nicht gutheißen, dass du Masamoto-sama angelogen hast, aber du hast es freiwillig gestanden und dadurch deine Ehrlichkeit bewiesen.« Der Zen-Meister schnippte mit seinem Stock einen Stein zur Seite. »Es war keine gute Entscheidung, dein kostbares Buch in der Burg zu verstecken. Du hast die Folgen dieser Tat nicht genügend durchdacht.«
Jack schüttelte ernst den Kopf.
»Doch ich weiß, dass du nicht aus bösem Willen so entschieden hast oder in der Absicht, dem Daimyo zu schaden. Aus Treue zu deinem Herrn und Achtung vor seinem Leben hast du geglaubt, eine Lüge sei sicherer als die Wahrheit und die Burg sicherer als die Schule. Du hast falsch gehandelt, aber du wolltest ihn schützen, wie es deine Pflicht ist. Masamoto-sama wird das ganz sicher einsehen.«
Sie waren an einem großen Steinblock angelangt. Sensei strich mit der Hand über die glatte Oberfläche.
»Du bist eigensinnig wie dieser Felsen, Jack-kun. Deine Tapferkeit und deine Entschlossenheit, deine Probleme selbst zu lösen, erinnern mich an den jungen Masamoto-sama. Auch er ließ sich von niemandem etwas sagen.«
Sensei Yamada sah Jack streng an und Jack hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten.
»Deshalb sind seine Gefühle auch so heftig. Er sieht sich selbst in dir. Er ist nicht wütend, sondern hat Angst. Angst, dass er noch einen Sohn an den Teufel Dokugan Ryu verlieren könnte.«
Sensei Yamada führte Jack aus dem Garten und über den verlassenen Hof der Niten Ichi Ry ū . Die Kiesel
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