Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
reflektierten das Mondlicht und verwandelten den Hof in ein wogendes Meer, während sie zur Buddha-Halle gingen.
»Du glaubst, du hast gegen die Tugenden des Bushido verstoßen?«
Jack nickte. Er war so aufgewühlt, dass er nicht sprechen konnte.
»Dann irrst du. Was du heute Abend und bei den vorherigen Begegnungen mit diesem Ninja gezeigt hast, beweist zweifelsfrei, dass du ein Samurai bist. Dein Mut im Angesicht großer Gefahr ist beispielhaft. Deine Güte gegenüber anderen, dein Mitgefühl mit deinen Freunden verbindet und schützt euch. Deshalb kämpfst du, auch wenn der Kampf aussichtslos scheint. Das ist eine große Tugend und der Kern des Bushido.«
Sie stiegen die steinerne Treppe zur Buddha-Halle hinauf. Jack fühlte sich durch die weisen Worte des Sensei getröstet. Ihm war, als bedeute jeder Schritt, den er tat, die Wiedergutmachung eines Fehlers.
»Du hast immer getan, was du für richtig hieltest. Das ist die erste Tugend des Bushido, Gerechtigkeit. Dein gutes Herz ist das Einzige, was Dokugan Ryu dir nicht nehmen kann. Solange du es hast, kann er dich nicht besiegen.«
»Aber ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen und kann ihn nicht ungeschehen machen«, widersprach Jack.
»Es gibt keine Fehler, Jack-kun.«
Sensei Yamada bedeutete ihm einzutreten. Der große bronzene Buddha saß im stummen Gebet versunken vor ihnen, umgeben von einem Kreis flackernder Kerzen und den rot glühenden Spitzen brennender Räucherstäbchen. Die Tempelglocke hing bewegungslos über dem Kopf des Buddha wie eine in der Luft schwebende Krone. Ob hundertacht Glockenschläge ausreichen würden, ihm seine Sünden in den Augen des Buddha zu verzeihen?, überlegte Jack. Zuerst musste er sich jedoch vor seinem Gott verantworten.
»Fehler sind unsere Lehrer«, fuhr Sensei Yamada fort und verbeugte sich tief vor dem Buddha. »Solange man sie als Fehler erkennt, kann man aus ihnen etwas über das Leben lernen. Jeder Fehler lehrt dich etwas Neues über dich. Vergiss nicht: Nur wer aufgibt, scheitert. Es zählt allein der Mut weiterzumachen.«
Jack verbeugte sich und betete in seiner Verzweiflung zu Buddha und zu Gott.
Sensei Yamada winkte ihn in einen Nebenraum der Halle.
»Du darfst sie jetzt sehen.«
Das kleine Zimmer wurde von Kerzen erleuchtet. Jack senkte den Kopf und trat allein ein. Der würzige Duft von weißem Salbei und Weihrauch stieg ihm in die Nase.
Akiko lag auf einem dicken Futon in einem seidenen, creme- und goldfarbenen Kimono, der mit hellgrünen Bambussprossen bestickt war.
Leise trat Jack näher und kniete neben sie.
Sie schien zu schlafen. Er nahm sacht ihre Hand. Sie fühlte sich kalt an.
»Dein erster Traum hat sich also wirklich erfüllt«, flüsterte Akiko. Ihre Stimme klang rau.
»Du hast Glück gehabt, dass du noch lebst«, antwortete Jack und drückte ihre Hand liebevoll.
»Der Fuji, ein Falke und das Blatt einer Aubergine.« Akiko lächelte schwach. »Sensei Yamada hatte Recht, diese Dinge haben uns alles Glück der Welt gebracht. Was hätten wir uns mehr wünschen können?«
Eine Erklärung, dachte Jack, sagte aber nichts. Jetzt war nicht die Zeit, Akiko nach ihrer wunderbaren Genesung zu fragen.
Er hatte gehört, wie Sensei Yamada und Sensei Kano, die Akiko in die Buddha-Halle gebracht hatten, damit sie sich dort in Ruhe erholte, sich über dokujutsu unterhielten, die von Ninja angewandte Kunst des Giftes. Die Sensei waren beide der Auffassung, dass jemand Akiko geholfen haben müsste, gegen die Gifte der Ninja immun zu werden.
Jack hatte den Mönch aus dem Tempel des friedlichen Drachen im Verdacht, dieser Jemand zu sein. Er erinnerte sich, wie krank Akiko an Neujahr gewirkt hatte. Sie hatte zu Kiku gesagt, sie habe etwas Falsches getrunken, und war dann geradewegs zu dem Mönch gegangen. Ging ihr Unwohlsein darauf zurück, dass sie dabei war, sich gegen Gifte abzuhärten? Akiko war ihm einige Erklärungen schuldig, aber vorerst war er nur froh, dass sie lebte.
»Es tut mir so leid, Akiko, ich hätte auf dich hören sollen. Egal was Sensei Yamada sagt, es war ein dummer Fehler, nicht …«
»Aber es war nicht deine Schuld, Jack«, fiel Akiko ihm ins Wort und legte den Finger an seine Lippen. »Den einzigen Fehler hat Drachenauge begangen – als er dich leben ließ.«
Sie winkte Jack näher heran und zog seinen Kopf zu sich
herunter.
Ihre Wangen berührten sich und Jack spürte ihren warmen Atem an seiner Haut. Einen Moment lang erfüllten ihn tiefster Frieden und
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