Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
erlebt.
»Nein, nichts ist gut«, erwiderte Jack. Er schüttelte langsam den Kopf und rieb sich die Augen, um sich von den albtraumhaften Bildern zu befreien.
»Kein Wunder, dass du so schlecht schläfst, Jack«, rief Yamato. »Unter deinem Futon liegt ein Buch!« Er bückte sich nach dem in Leder gebundenen Buch, das er unter dem Bett entdeckt hatte.
Jack riss es ihm aus den Händen.
Das war der Portolan seines Vaters, den er in seinem kahlen Zimmerchen unter dem Futon verborgen hatte, weil er kein besseres Versteck gewusst hatte. Das Buch war seine einzige Verbindung zu seinem Vater und jede Seite, jedes Wort, das sein Vater geschrieben hatte, war ihm lieb und teuer. Es enthielt außerdem unschätzbar wertvolle Informationen und Jack hatte seinem Vater versprochen, niemandem davon zu erzählen.
»Ganz ruhig, Jack, das ist doch nur ein Lexikon«, sagte Yamato, erschrocken über Jacks unerwartet heftige Reaktion.
Jack starrte ihn verwirrt an. Offenbar hielt sein Freund den Portolan für das portugiesisch-japanische Lexikon, das der verstorbene Pater Lucius ihm im vergangenen Jahr gegeben hatte. Jack sollte es bei Gelegenheit Pater Lucius’ Vorgesetzten Pater Bobadilla in Osaka bringen. Beide Bücher hatten einen ähnlichen Ledereinband, doch dieses hier war der Portolan seines Vaters.
Jack hatte Yamato nie davon erzählt und sogar bestritten, dass es ein solches Buch überhaupt gab. Aus gutem Grund. Bis zu ihrem Sieg beim Taryu-Jiai im Sommer, einem Wettkampf zwischen zwei Kampfschulen, und ihrer anschließenden Versöhnung hatte er Yamato nicht trauen können.
Als Masamoto Jack als Sohn angenommen hatte, hatte Yamato ihn zuerst nicht leiden können. Yamatos älterer Bruder Tenno war von einem Ninja ermordet worden und Yamato hatte das Gefühl, dass sein Vater Tenno durch Jack ersetzen wollte und Jack ihm den Vater wegnahm. Doch dann hatte Jack Yamato vor dem Ertrinken gerettet und ihn davon überzeugt, dass seine Befürchtungen nicht stimmten. Seitdem waren sie Freunde.
Jack wusste, dass es riskant war, Yamato von dem kostbaren Portolan zu erzählen. Wie würde er darauf reagieren? Aber vielleicht war jetzt der Moment gekommen, den Freund in das Geheimnis einzuweihen.
»Das ist nicht das Lexikon von Pater Lucius«, sagte er.
»Was dann?« Yamato sah ihn erstaunt an.
»Der Portolan meines Vaters. Eine Art Tagebuch.«
3
Der Wunsch an den Daruma
»Tagebuch!«, rief Yamato. Aus seiner Verwunderung wurde Unglauben. »Aber als Drachenauge Akiko in ihrem Zimmer überfiel, sagtest du, du wüsstest nichts von einem solchen Buch!«
»Ich habe gelogen. Ich hatte damals keine andere Wahl.«
Jack wich Yamatos Blick aus. Bestimmt fühlte sein Freund sich hintergangen.
Yamato wandte sich an Akiko. »Wusstest du davon?«
Akiko nickte schamrot im Gesicht.
»Unglaublich«, rief Yamato empört. »Verfolgt Drachenauge uns deshalb? Wegen eines dummen Buches?«
»Ich hätte es dir ja gesagt, Yamato«, fiel Akiko ihm beschwichtigend ins Wort, »aber ich habe Jack versprochen, es nicht weiterzuerzählen.«
»Kann ein Buch so wertvoll sein, dass Chiro dafür mit dem Leben bezahlen musste?« Yamato war aufgesprungen. »Sie war vielleicht nur ein Dienstmädchen, aber sie hat uns treu gedient. Jack hat uns wegen dieses Portolans alle in Gefahr gebracht.«
Er starrte Jack stumm an und aus seinen Augen sprühte der alte Hass. Dann wandte er sich zum Gehen. Jack erschrak.
»Das sage ich meinem Vater.«
»Bitte nicht.« Jack hielt ihn am Ärmel seines Kimonos fest. »Der Portolan ist kein gewöhnliches Buch. Niemand darf davon wissen.«
»Warum nicht?« Angewidert sah Yamato auf Jacks Hand.
Jack ließ ihn los und Yamato blieb stehen.
Stumm reichte Jack ihm das Buch. Yamato blätterte darin und überflog Meereskarten, Sternbilder und handschriftliche Anmerkungen. Fragend hob er den Kopf.
Mit gedämpfter Stimme erklärte Jack ihm die Bedeutung des Buches. »Ein Portolan ist ein Logbuch, das sichere Schifffahrtswege beschreibt. Die Informationen, die es enthält, sind unschätzbar kostbar. Es hat schon einige Menschen das Leben gekostet, die es in ihren Besitz bringen wollten. Ich habe meinem Vater versprochen, niemandem davon zu erzählen.«
»Aber was ist daran so wertvoll? Wenn es doch nur Wegbeschreibungen enthält?«
»Es geht um viel mehr. Mein Vater sagte, es verleihe politische Macht. Wer es besitzt, kontrolliert die Handelswege zwischen den Ländern. Ein Land, das einen Portolan hat, der so genau ist wie
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