Samurai 3: Der Weg des Drachen
ihnen um. Die beiden fürchteten offenbar einen Hinterhalt der Ninjas.
»Kommt, ihr zwei. Ein kleines Mädchen tut euch doch nichts.«
Beschämt folgten sie ihr.
Akiko spähte in das Dunkel hinter der Tür. »Hallo?«, rief sie. »Entschuldigung?«
Aus der Hütte drang rasselndes Atmen wie von einem sterbenden Hund. Dann tauchte plötzlich das hohlwangige Gesicht eines Mannes auf.
»Verschwindet!«, sagte er barsch. »Wir haben nichts für euch.«
Das kleine Mädchen, das sie zuvor gesehen hatten, versteckte sich hinter seinen Beinen und blickte fasziniert auf Jacks blonde Haare. Jack lächelte sie an.
»Es tut uns leid, wenn wir Sie stören, aber wir haben nur einige Fragen«, erklärte Akiko.
»Wo sind die anderen Bewohner des Dorfes?«, fragte Yamato.
»Gegangen. Das solltet ihr auch.« Der Mann schickte sich an, die klapprige Tür seiner Hütte zu schließen.
»Wir suchen Kunitome-san«, sagte Jack.
Der Mann sah ihn an, als bemerke er ihn erst jetzt. Dann schnaubte er.
»Der Teufel! Er ist tot!«
»Seit wann?«, fragte Jack. »Wer hat ihn getötet?«
Der Mann seufzte. Das Gespräch kostete ihn offenbar seine letzte Kraft.
»Er hat Selbstmord begangen, mit seinem eigenen Schwert«, sagte er ungeduldig. »Deshalb ist das Dorf tot. Er war für Shindo ein Segen und zugleich ein Fluch. Seine Fähigkeiten als Schwertschmied zogen Leute von weit her an und wir Dorfbewohner freuten uns über das Geld, das sie mitbrachten. Aber der böse Geist seiner Schwerter hat auch schlimmes Gesindel angelockt. Jetzt ist er weg und niemand kommt mehr. Nur sein Geist ist geblieben und wirft einen dunklen Schatten über Shindo. Ihr solltet gehen. Dieser Ort hat ein schlechtes Karma.«
»Warum sind Sie dann nicht gegangen?«, fragte Yamato. Der Mann wollte die Tür schließen und Yamato drückte mit der Hand dagegen.
»Wir wollten ja, aber hört ihr das?« Der rasselnde Atem in der Hütte war weit und breit das einzige Geräusch. »Das ist meine kranke Mutter. Sie will nicht sterben. Und solange sie lebt, sitzen wir in dieser tödlichen Falle fest. Jetzt geht!«
Er schlug ihnen die Tür vor der Nase zu.
Bestürzt sahen sie einander an.
»Unsere Spur scheint hier zu enden«, sagte Yamato. Er klang erleichtert. »Lass uns zurückreiten, bevor Kuma-san unser Verschwinden bemerkt.«
»Nein«, erwiderte Jack und ging die Straße weiter. »Wir müssen noch den Drachentempel finden, von dem Orochi gesprochen hat. Seht mal! Das muss er sein.«
Die Dorfstraße endete vor einem großen Tempel auf einem Erdhügel. Seine rote und grüne Farbe war verblichen und blätterte bereits ab. Auf dem Dach fehlten Ziegel, und zwei geschnitzte Drachen waren heruntergefallen und lagen halb verrottet auf dem Boden. Der Haupteingang stand offen. Er wirkte so einladend wie die Tür zu einem Grab.
»Du willst da doch nicht rein, oder?«, fragte Yamato. »Der Tempel sieht aus, als könnte er jeden Augenblick einstürzen!«
Akiko lächelte entschuldigend und stieg hinter Jack die ausgetretenen steinernen Stufen hinauf.
Sie fanden sich in einem dämmrigen, höhlenartigen Raum wieder. Statt nach Weihrauch roch es nach Moder.
Jack trat über die Schwelle und spähte in die Dunkelheit.
Er hätte fast laut aufgeschrien, als er die beiden riesigen, muskelbepackten Krieger sah, die ihn mit verzerrten Gesichtern von rechts und links anstarrten. Der eine bleckte die Zähne und schwang eine mächtige Keule, der andere hatte die Kiefer zusammengebissen und holte mit einem gewaltigen Schwert aus.
Jack prallte rückwärts mit Akiko zusammen.
»Das sind doch nur nio«, lachte sie. »Tempelwächter.«
»Aber sie sehen schrecklich aus!«, rief Jack, der sich nur langsam von seinem Schrecken erholte.
Er folgte Akiko nach drinnen und zum Altar, auf dem sich ein verstaubter Buddha inmitten einer Reihe kleinerer Götterbilder befand. »Was bewachen die Tempelwächter denn?«
»Den Buddha natürlich. Der Wächter rechts heißt Agyo und ist ein Symbol für Gewalttätigkeit. Der links mit dem Schwert heißt Ungyo und steht für Kraft.« Akiko zeigte auf die Gesichter der beiden. »Siehst du, wie der eine die Zähne bleckt und der andere den Mund geschlossen hält? Sie bilden die Laute ›ah‹ und ›un‹, den ersten und den letzten Laut des japanischen Alphabets. Zusammen vereinen sie alles Wissen in sich.«
»Ende der Geschichtsstunde«, fiel Yamato ihr ins Wort. »Hier ist niemand. Wir verschwenden nur unsere Zeit. Kunitome-san hat Selbstmord begangen
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