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Samurai 3: Der Weg des Drachen

Samurai 3: Der Weg des Drachen

Titel: Samurai 3: Der Weg des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Bradford
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Pinsel ließen eine schriftliche Prüfung befürchten. Zwar erteilte Akiko ihm Privatunterricht in den japanischen Schriftzeichen, aber er wusste, dass er es im Schreiben nie weit bringen würde.
    Noch bevor Sensei Nakamura etwas sagte, wurde es im Raum wie auf ein stummes Kommando ganz still.
    »Ich bin Sensei Nakamura«, begann sie schließlich leise, »und ich unterrichte euch in der Kunst des Haiku.«
    Die Reaktion der Schüler darauf war unterschiedlich. Die meisten schienen enttäuscht, einige wenige begeistert.
    »Was ist ein Haiku?«, flüsterte Jack. Er sah, dass Yori bereits erwartungsvoll zum Pinsel gegriffen hatte.
    »Ein Gedicht«, stöhnte Saburo leise.
    Sensei Nakamura blickte streng in Saburos Richtung und er verstummte.
    »Für die, die solche Gedichte nicht kennen«, fuhr Sensei Nakamura an alle Schüler gewandt fort, »erkläre ich ihre wichtigsten Regeln: Ein Haiku ist ein kurzes Gedicht, das gewöhnlich aus siebzehn Klangsilben besteht und dessen Bilder zu einer bestimmten Jahreszeit passen. Doch können diese Grundregeln auch missachtet werden, denn es zählt vor allem der Geist des Haiku.«
    Sie nahm ein Blatt Papier, das neben ihr lag, und las langsam vor, was darauf stand:
    »Kraniche fliegen
so hoch wie die Wolke n –
erster Sonnenaufgang.« [1]
    Einige Schüler begannen Beifall zu klatschen, die übrigen fielen ein. Sensei Nakamura dankte ihnen mit einem kurzen Nicken.
    »Ein Haiku enthält eine genaue Beobachtung eurer Umgebung«, erklärte sie. »Ein gelungenes Haiku hält einen Moment fest und drückt seine Zeitlosigkeit aus.«
    Sie nahm ein zweites Blatt von ihrem Stapel und las mit einer Stimme, die flüsternd in die Ohren der Schüler einzudringen schien:
    »Sieh! Ein Schmetterling
sitzt auf der Schulter
des großen Buddha.« [2]
    Diesmal klatschten alle Schüler.
    Yori beugte sich aufgeregt zu Kiku hinüber. »Hast du gemerkt, wie Sensei Nakamura die Vergänglichkeit des Schmetterlings mit dem ewigen Buddha vergleicht? Als ob kein Unterschied zwischen einem Lebewesen und einer steinernen Statue bestehe, die das Leben verkörpert.«
    Kiku nickte atemlos. »Faszinierend!«
    Saburo sah Jack an und verdrehte die Augen. »Yori ist unter die Dichter gegangen«, spottete er gutmütig.
    Jack lachte. Yori war der Gelehrte von ihnen und der Einzige, der die Koans Sensei Yamadas lösen konnte. So abstrus die Rätselfragen auch klangen, die der Zen-Meister ihnen jede Woche stellte, Yori fiel irgendwie immer eine Antwort ein.
    Sensei Nakamura sorgte mit einem lauten Händeklatschen wieder für Ruhe.
    »Wie ich euch gezeigt habe, besteht ein Haiku also aus einer genauen Beobachtung eurer Umgebung und eures Platzes darin. Jetzt sollt ihr alle selbst ein Haiku verfassen. Denkt an einen Augenblick in eurem Leben und haltet ihn in einem Gedicht fest. Wegen der Form macht euch keine Sorgen. Achtet auf den Geist. Schreibt nicht über euch und eure Gedanken und Meinungen, sondern nur über den Moment.«
    Alle beugten sich eifrig über ihre Tische und bereiteten die Tusche zum Schreiben vor.
    Jack folgte dem Beispiel der anderen, aber er hatte keine Ahnung, worüber er schreiben sollte. Er sah aus dem Fenster. Die Nachmittagsonne schien auf die grünen Dachziegel der Buddha-Halle gegenüber.
    Seine Gedanken begannen zu wandern.
    Er musste an Kazukis Drohungen vom Vormittag denken. Dass Daimyo Kamakura die Jagd auf Christen belohnte, beunruhigte ihn. Zwar stand er innerhalb der Schule unter Masamotos Schutz und war einigermaßen sicher, doch war zu fürchten, dass ihn draußen alle möglichen Leute überfallen könnten, nicht nur Daimyo Kamakuras Samurai.
    Die Lage in Japan schien sich zu verschlimmern, doch konnte er etwas dagegen tun? Unmittelbar nach seinem Ausschluss aus der Schule hatte er überlegt, ob er nach Nagasaki gehen sollte, um dort vielleicht ein Schiff nach England zu finden. Zu bleiben war ihm sinnlos vorgekommen, wenn er nicht die Ausbildung zum Samurai fortsetzen und die Technik der beiden Himmel erlernen konnte. Zugleich wusste er, dass er es auf eigene Faust als halb ausgebildeter Samurai kaum bis nach Nagasaki schaffen würde. Ohne Essen, Geld und Waffen kam er wahrscheinlich nicht weit über Kyoto hinaus. Außerdem hielt ihn jedes Mal, wenn er an Flucht dachte, etwas zurück. Nach zwei Jahren in Japan war ihm vieles an seiner neuen Heimat ans Herz gewachsen. Vor allem aber verdankte er Masamoto sein Leben und fühlte sich ihm gegenüber zum Bleiben verpflichtet.
    Jetzt würde ihn

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