Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
darfst du diese Rachegedanken nicht zulassen. Deine Mutter würde nicht wollen, dass du dich dein ganzes Leben lang vor Hass verzehrst.«
»Aber dieser Samurai blieb sogar stehen, um sie sterben zu sehen! Ich werde die hämische Freude auf seinem Gesicht nie vergessen. Und die ganze Zeit tropfte das Blut meiner Mutter auf mich herab!«
Jack wusste nicht, wie er Miyuki beistehen sollte, deshalb ließ er sie einfach weinen. So lange zurückgehaltene Tränen strömten ihr über die Wangen. Nach einer Weile fiel ihr plötzlich ein, dass Jack den Arm um ihre Schultern gelegt hatte. Verlegen setzte sie sich auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Die Ernte ist dieses Jahr sehr früh«, sagte sie und stand auf. »Lass uns gehen und den Bauern helfen.«
Jack nickte und erhob sich ebenfalls.
»Aber du brauchst einen Hut.« Miyuki hielt ihm ihren Strohhut hin.
»Danke.« Jack setzte ihn auf. »Passt wie angegossen.«
42
Ernte
Die Sonne brannte auf sie herab und der Tag schien nicht enden zu wollen. Jack lief der Schweiß in Strömen übers Gesicht und er war froh über Miyukis Hut. Die Arbeit war anstrengend, schenkte ihm aber auch Befriedigung. Sie arbeiteten in Gruppen. Mit Sicheln in den Händen beugten sie sich über den Reis. Die Klingen blitzten in der Sonne auf und glitten wie silberne Schwalben durch die Ähren. Einige Helfer sangen bei der Arbeit und ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit erfüllte alle. Die Zahl der zum Dreschen bereitgestellten Garben wuchs mit jeder Stunde.
Tenzen hatte Jack gezeigt, wie man den Reis an der Wurzel abschnitt und die Stängel zu Bündeln band. Die fertigen Bündel legten sie in Reihen nebeneinander, damit Hanzo und die anderen Kinder sie wegtragen konnten. Zur Mittagsstunde schlug Tenzen vor, im Schatten eines Baumes Pause zu machen.
»Was hört man Neues von Daimyo Akechis Plänen?«, fragte Jack und bot den anderen seine mit Wasser gefüllte Kalebasse an. Er machte sich Sorgen, der Samuraifürst könnte angreifen, bevor Akiko eintraf.
Tenzen trank dankbar und reichte das Wasser an Shiro und Miyuki weiter. »Die letzte Nachricht war, Daimyo Akechis Armee sei vollzählig und er brenne darauf anzugreifen. Seine Generäle haben ihm allerdings davon abgeraten, solange unser Dorf nicht gefunden ist und der Shogun ihm die Unterstützung verwehrt. Sie wollen nicht denselben Fehler machen wie Nobunagas Sohn.«
»Was für einen Fehler?«, fragte Jack.
»Mehrere Dörfer zugleich anzugreifen. Nobunagas Sohn teilte damals seine Armee auf und zog sie zu weit auseinander. Diese Schwäche konnten unsere Ninja ausnutzen und so die Eindringlinge besiegen.«
»Sie gerieten in eine solche Panik, dass sich einige aus Versehen sogar gegenseitig töteten«, fügte Miyuki hinzu und konnte dabei ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie gab Jack die Kalebasse zurück.
»Leider zogen die Ninjaclans damit den Zorn des gedemütigten Nobunaga auf sich«, sagte Tenzen.
Niemand sprach, aber alle dachten an die schrecklichen Folgen dieses Sieges für die Ninja.
»Die gute Nachricht ist: Je länger Akechi zögert, desto eher können unsere Gesandten ihren Einfluss am Hof in Edo geltend machen und den Shogun zum Eingreifen überreden. Aber egal was passiert, wir müssen jetzt erst einmal die Ernte einbringen.«
Tenzen stand auf und die anderen folgten seinem Beispiel. »Los, du auch, Shiro!«, rief er. »Wir sind viel schneller fertig, wenn du mitmachst.«
Shiro rappelte sich müde auf und brummte: »Dass man als Ninja ständig arbeiten muss!«
Die Erntezeit wurde, wie Jack feststellen musste, von zahlreichen Ritualen und Gebeten begleitet. Bereits am frühen Morgen waren die Familienoberhäupter auf die Felder gegangen und hatten an einem steinernen Schrein Ta-no-kami, dem Gott der Reisfelder, Reiswein, Blumen und andere kleine Gaben geopfert. Anschließend hatten die Männer jeder drei schön gewachsene Reispflanzen aus dem Boden gezogen.
Am Abend saß Jack mit Soke und Hanzo bei einer schlichten, aber festlichen Mahlzeit zusammen. Der Reis, den sich Soke ausgesucht hatte, lag auf einem kleinen Bord, das zugleich als kami- Schrein des Hauses diente. Sie wuschen sich die Hände und beteten gemeinsam um eine gute Ernte. Anschließend legte Soke in ehrfürchtigem Schweigen einige Reiskörner vor jeden hin, und nacheinander kosteten sie die Feldfrucht.
Auf Sokes Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln. »Der Reis ist auch in diesem Jahr wieder sehr gut geraten«, sagte
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