Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
diesem Tagebuch so wichtig?«, wollte Ronin wissen.
»Mein Vater wurde von Ninja ermordet«, antwortete Jack vorsichtig. »Das Tagebuch ist das Einzige, was ich noch von ihm habe.«
Ronin betrachtete Jack mit einem merkwürdig eindringlichen Blick und hinter seiner rauen Art wurde fast so etwas wie Mitgefühl spürbar.
»Es geht also um ein Gefühl«, sagte er. »Ich verstehe das.« Er legte stolz die Hand auf seine Schwerter. »Die hier gehörten meinem Vater.« Er zog den Korken aus seiner Flasche und trank ausgiebig. Jack fürchtete schon, er würde gar nicht mehr aufhören. »Aber wenn es sich um den Botan handelt, von dem ich gehört habe, haben wir es mit einem skrupellosen Menschen zu tun, der Ausländer verachtet. Für eine Begegnung mit ihm wirst du deine Schwerter brauchen.«
Jack überlegte. Ronin hatte vermutlich Recht. Kyoto und Nara waren für ihn gleichermaßen gefährlich, aber mit seinen Schwertern hatte er bessere Überlebenschancen.
»Also nach Kyoto«, stimmte er zu. Er nahm seinen Stock in die Hand und setzte Ronins Strohhut auf.
Da sie sonst nichts zu packen hatten, stand einem schnellen Aufbruch nichts mehr im Wege.
»Also dann auf Wiedersehen, kleine Diebin!«, sagte Ronin knapp und streifte Hana mit einem flüchtigen Blick.
Er war schon an der Tür, als sie zögernd fragte: »Wieso auf Wiedersehen? Kann ich nicht mitkommen?«
Ronin schüttelte unwirsch den Kopf. »Nein.«
»Aber …«
»Ich sagte NEIN !«
Enttäuscht durch seine schroffe Zurückweisung senkte Hana den Kopf. Einsam und verloren stand sie da und Jack begriff plötzlich, dass sie nicht nur gerne mitgekommen wäre, sondern seine und Ronins Gesellschaft geradezu brauchte .
Er nahm Ronin zur Seite. »Warum kann sie nicht mitkommen?«
»Weil sie für uns nur eine Belastung ist. Sie stiehlt, lügt und ist nicht vertrauenswürdig.«
»Aber sie hat uns geholfen!«
»Und damit ihren Zweck erfüllt. Außerdem ist sie ein weiterer Esser und wir haben nicht genug Geld.«
»Aber man weiß nie, vielleicht kann sie uns mit ihren Fähigkeiten helfen, meine Schwerter zurückzubekommen.«
Ronin wirkte zwar keineswegs überzeugt, aber Jack hatte ein stichhaltiges Argument vorgebracht. »Also gut«, lenkte er ein. »Aber bei der ersten falschen Bewegung bekommt sie mein Schwert zu spüren.«
Jack drehte sich nach Hana um, aber die war schon zu ihm geeilt. »Ich wollte immer schon einmal die Hauptstadt besuchen!«, rief sie freudestrahlend. »Glaubst du, wir werden den Kaiser sehen?«
Auf dem Weg aus Kizu hinaus folgten sie kleinen Nebenstraßen. Dabei kreuzten sie auch den Laden des Händlers. Das Haus war über und über mit Glücksbringern behängt, mit ofuda -Talismanen und Amuletten aus dem örtlichen Shinto-Schrein. Drinnen redete der Händler auf seine Frau ein und versuchte sie mit neuen Schmuckstücken und Kimonos zu beruhigen. Doch sie hörte ihm gar nicht zu. Sie fragte bei jedem Stück, woher es kam und wer der Vorbesitzer gewesen war, und schwang die ganze Zeit über ein Räucherstäbchen über ihrem Kopf.
Jack musste unwillkürlich lachen. Vielleicht würde der Händler Fremden in Zukunft mit mehr Achtung begegnen und in seinen Geschäften ehrlicher sein.
Mit gesenkten Köpfen bogen sie auf die nordwärts nach Kyoto führende Straße ein. Der Fluss war vom heftigen Regen in der Nacht angeschwollen und drohte über die Ufer zu treten. Beim Überqueren der Brücke hörte Jack die Pfeiler bedrohlich unter dem Druck der Strömung knarren. Hoffentlich stürzte die Brücke nicht ausgerechnet jetzt ein. Auf keinen Fall wollte er noch einen weiteren Tag in Kizu verbringen.
Auf dem Weg nach Norden plauderte Hana munter über allerlei Belanglosigkeiten. Ronin ging einige Schritte voraus. Er bevorzugte offenbar die Gesellschaft seiner Flasche. Jack dagegen hörte Hana gerne zu. Sie lenkte ihn von der bevorstehenden Ankunft in Kyoto ab. Dass er an den Ort zurückkehren würde, der die vergangenen drei Jahre sein Zuhause gewesen war, erfüllte ihn einerseits mit Vorfreude. Andererseits fürchtete er, was er dort vorfinden würde.
Sie folgten der Straße durch den Wald und hielten nur einmal kurz an für ein karges, aus kaltem Reis bestehendes Mittagsmahl. Am späten Nachmittag war außer ihnen niemand mehr unterwegs. Hana plauderte unentwegt. »Es kommt mir vor, als seien wir Teil der Geschichte eines koshakushi . Ich habe einmal einen solchen Geschichtenerzähler in Kizu auftreten sehen. Er rezitierte aus dem Taiheiki und
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